Rezension zu "Vorgefühl der nahen Nacht" von Laurent Seksik
Stefan Zweig deutet die Zeichen des anrückenden Unheils richtig. Er flieht schon früh aus Österreich. Mit Zwischenstopp in London und New York landet er schließlich in Petropolis/Brasilien. Begleitet wird er von seiner asthmakranken zweiten Ehefrau, Lotte. Viele seiner Freude und Schriftstellerkollegen haben bereits den Freitod gewählt oder sind in Haft geraten, der Rest ist auf der ganzen Welt verstreut. Seine Bücher wurden öffentlich in Deutschland verbrannt und damit auch ein Stück seiner Seele. Er erlebt die Zerstörung seiner geistigen Heimat Europas und wird diesen Verlust nie überwinden. Und die Nachrichten aus Hitler-Europa bleiben weiterhin äußerst beunruhigend. Gibt es irgendwo auf der Welt überhaupt einen sicheren Zufluchtsort?
1941 Amerika steigt in den Krieg mit ein; das Aufflackern eines Hoffnungsschimmers....
Das vorliegende Buch beschreibt die letzten Monate im Leben von Stefan Zweig und steigt im September 1941 ein. Der Roman umfasst ein halbes Jahr, hält aber immer wieder Rückschau in vorangehende Stationen auf der Flucht Zweigs. Wenn man die Biografie von Stefan Zweig kennt, weiß man auch, wie der Roman ausgehen wird. Dadurch kann nur schwerlich ein Spannungsbogen entstehen, vielleicht nur noch hinsichtlich des „wie“. Die Zeilen sind insgesamt in einer düsteren, depressiven Grundstimmung gehalten, die sicherlich authentisch die Gefühlslage der entwurzelten Menschen dieser Zeit nachzeichnet. Bei Zweig und seiner Frau handelt es sich eigentlich im Vergleich zu vielen andere um recht privilegierte Flüchtling. Und dennoch können sie in der Fremde nicht glücklich werden. Zweig zieht sich immer mehr in sich zurück. Und die Abhängigkeit, ja fast Hörigkeit seiner zweiten Frau Lotte, mit ihrem selbstaufgebenden Wesen kann ihm kaum Stütze sein.
So nimmt er sich den von ihm verehrten Heinrich von Kleist als Vorbild, der ebenfalls mit seiner kranken, um vieles jüngeren Frau selbstgewählt in den Tod ging.
Fazit: Das Vorhaben von Laurent Seksik ist ambitioniert, konnte mich aber nicht gänzlich überzeugen. Mir erschließt sich nur schwerlich der Sinn des Unterfangens. Darüber hinaus ist der Erzählfluss stockend und die Wechsel der Erzähl-Perspektiven nicht unbedingt förderlich.
Ich persönlich würde es generell vorziehen, eine Biografie als eine biografische Roman-Nacherzählung zu lesen.