Rezension zu Eichmann war von empörender Dummheit von Ursula Ludz
Rezension zu "Eichmann war von empörender Dummheit" von Hannah Arendt
von cosima73
Rezension
cosima73vor 11 Jahren
Hannah Arendt beschreibt Eichmanns Dummheit, die weder grausam noch dämonisch war, sondern einfach die Gedankenlosigkeit eines Funktionärs innerhalb eines bürokratischen Systems ausdrückt, und bezeichnete sie in ihrem Buch "Eichmann in Jerusalem" als „Banalität des Bösen“. Mit diesem Begriff (unter anderem) löste sie eine der grössten Kontroversen des letzten Jahrhunderts aus. Das vorliegende Buch enthält ein Gespräch mit Joachim Fest, welcher zur selben Zeit wie Hannah Arendt Eichmann in Jerusalem sein Werk Das Gesicht des Dritten Reiches veröffentlicht hatte, welches zu einem ähnlichen Schluss kam wie Arendt. Das Gespräch behandelt Themen wie die Definition eines neuen Verbrechertypus, welcher eben keine kriminelle Energie hat, sondern aus (oft blindem ) Gehorsam handelt, es handelt von der Frage nach Verantwortung und Schuld in einem totalitären System, von Gerechtigkeit nach einem historischen Unrecht solchen Ausmasses, sowie von gut und böse als moralischen Urteilen. Neben dem Gespräch findet man den das Gespräch vorbereitenden Briefaustausch zwischen Arendt und Fest sowie sporadische spätere Briefe, welche eher auf eine intellektuelle Verbindung denn auf eine Freundschaft hinweisen, allerdings von gegenseitigem Respekt zeugen. Anschliessend folgen vier Dokumente aus der Kontroverse um Hannah Arendt und Eichmann in Jerusalem, welche während des Austauschs zwischen Arendt und Fest erwähnt worden sind. Die Stellungnahme des Council of Jews from Germany tut sein Unverständnis kund über die „unverantwortbaren Schlussfolgerungen“, die Hannah Arendt aus „unfundiertenn Feststellungen“ zog, Golo Manns sarkastischer Text voller plakativer Herabwürdigungen gibt ihr immerhin in Bezug auf das Portrait Eichmanns recht und Mary McCarthy verteidigt das Buch so sachlich, wenn auch offensichtlich wohlgesonnen. Den Abschluss macht Reinhard Baumgard mit einem Nachwort zu Hannah Arendts Eichmann-Buch: Mit Mördern leben? Die Zusammenführung der Texte ist aufschlussreich und sinnvoll, die Einleitung zeigt durch Vorwegnahme und Zusammenfassung einiger zentraler Argumente die Grundaussagen des Austauschs und hilft damit beim Verständnis des Kommenden. Die abschliessenden Dokumente aus der Kontroverse verdeutlichen die Unsachlichkeit der Angriffe gegen Hannah Arendt und ihr Buch. Fazit: Die spannende Analyse eines Jahrhundertverbrechers und des Systems, das ihn zustande brachte. Sehr empfehlenswert.