Rezension zu "Die Zeit, die es dauert" von Hanne Ørstavik
Die Zeit, die es dauert
Von Hanne Orstavik
Aus dem Norwegischen von Andreas Donat
Erschienen 2019 im Karl Rauch Verlag
„…dass ich tatsächlich Nein zu etwas sagen konnte, das ich nicht wollte, dass ich überhaupt fühlen konnte, dass da etwas war, was ich nicht wollte, als mir all das klar geworden war, hatte ich eine unglaubliche Erleichterung empfunden, ich hatte mich so mächtig gefühlt…“
Signe ist längst nicht am Ende ihres Weges, als sie diesen Gedanken formt. Er ist bei weitem noch nicht der Abschluss eines schmerzvollen Kapitels, doch es eröffnet eine neue Richtung, eine neue Möglichkeit zu Leben statt nur zu Überleben. Signe erlebe ich als Frau, die sich gerade erst selbst zu entdecken beginnt und ihren Weg erst noch finden muss. Ein Schritt, ein Anfang, ein Weg ins Sein.
Und so wie die Erwachsene Signe längst nicht am Ziel und noch lange nicht heil ist, so ist die 13jährige Signe, die ich wenige Seiten später kennenlerne, genauso wenig nur Schmerz und nur Opfer. Sie erlebt Freude, sie entdeckt die Menschen um sich herum und hat Wünsche. Doch sie ist ein Kind, deren Leben bis hinein in den letzten Winkel überschattet wird von der toxischen Beziehung ihrer Eltern und ihrem eigenen Nichtverstehen der beiden. Wir sind doch eine Familie ist das Mantra, das für Signe über allem steht.
Die Zeit, die es dauert ist keine Geschichte, die die große menschliche Katastrophe heraufbeschwört. Es werden dem Leser auch keine beruhigenden Lösungen geliefert. Alles ist viel leiser, viel tiefer, so nah und dabei so schmerzhaft. Eine Geschichte die mich bewegt hat und in mir nachhallt.
Mein erster, aber sicher nicht mein letzter Roman von Hanne Orstavik!