Cover des Buches Nach uns die Pinguine (ISBN: 9783869711560)
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Rezension zu Nach uns die Pinguine von Hannes Stein

Ein humorvoller Weltuntergangskrimi

von Dajobama vor 6 Jahren

Rezension

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Dajobamavor 6 Jahren

Ein faszinierend leichtfüßig daherkommendes Weltuntergangsszenario, unterfüttert mit Fakten, welches teilweise skurril anmutet und auf jeden Fall zum Nachdenken anregt.

Hannes Stein, geboren 1965, lebte in Deutschland und Österreich, bevor er 2007 nach New York auswanderte, wo er heute als Autor und Journalist tätig ist. Bereits im Roman „Der Komet“ stellt er die bestehende Weltordnung auf den Kopf, indem er den Ersten Weltkrieg einfach ausfallen lässt.

Vor vielen Jahren ist auf der Welt etwas Furchtbares passiert („die betrüblichen Ereignisse, über die wir ungern reden“), das beinahe die komplette Population auslöschte. Im weiteren Verlauf des Buches erfährt der Leser auch relativ genau, was. Nur die Bewohner der abgelegenen Falkland-Inseln sind von diesem dritten Weltkrieg verschont geblieben. Hier hat man sich mit den Gegebenheiten arrangiert und das Leben geht seinen gewohnten Gang. Bis eines Tages der allseits beliebte Gouverneur tot aufgefunden wird. Erschlagen mit einer Churchill-Büste. Der Redakteur des Inselradios, Joshua Feldenkrais, den es selbst erst kurz vor den „Ereignissen“ zufällig auf die Inseln verschlagen hat, nimmt die Ermittlungen auf.

Im zweiten Kapitel, nachdem der Gouverneur ermordet wurde stellt sich der Erzähler Joshua Feldenkrais vor. Er ist Jude, homosexuell und Mormone. Diese Punkte und ihre Zusammenhänge erklärt er auf über zehn Seiten, außerdem, wie es ihn auf die Falklands verschlagen hat. Die Ausführungen über die Religionszugehörigkeiten geraten etwas zu lang und können überflogen werden. Generell erzählt Stein aber in einer sehr verständlichen und flüssig lesbaren Alltagssprache.

Das Buch wirft viele grundlegende Fragen auf: was passiert, wenn man plötzlich allein auf der Welt ist. Noch schlimmer, was passiert, wenn jegliche Form der Staatsgewalt und Regierung plötzlich verschwunden ist? Was für eine Art von Anführer setzt sich durch? Was passiert mit den Religionen?

Indem man tröpfchenweise immer mehr von den vorhergehenden Geschehnissen erfährt und diese ausnahmslos auf tatsächlichen Gegebenheiten basieren (der Autor denkt weiter: was wäre, wenn… bis hin zur Katastrophe), wirken die „betrüblichen Ereignisse“ erschreckend plausibel und nachvollziehbar. Top aktuell mutet auch die Tatsache an, dass Nordkorea quasi als letzter Henker der Menschheit fungiert.

Die Bevölkerung neigt dazu die „betrüblichen Ereignisse,…“ teils zu verleugnen, teils zu verdrängen. Eine extrem hohe Selbstmordrate zeugt allerdings von einer tiefen Traumatisierung, welche im Verlauf der Handlung immer mehr zu Tage tritt. Der Kriminalfall um die Ermordung des beliebten Gouverneurs tritt über weite Teile in den Hintergrund und wird erst am Ende des Buches wieder aufgegriffen. Natürlich ist die Ursache in der überstandenen Katastrophe zu suchen. „…dieses Verbrechen seine Wurzeln in dem tiefen, lichtlosen See hätte, der auf dem Grund von allen unseren Seelen ruht. (…) Die Menschheit ist ein dummes Tier. Die Menschheit lernt nicht.“

Ein tolles, absolut empfehlenswertes Buch weitab des Mainstream. Ich habe lange darüber nachgedacht.

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