Cover des Buches Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken (ISBN: 9783813504446)
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Rezension zu Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken von Hanns Hatt

Rezension zu "Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken" von Hanns Hatt

von HeikeG vor 12 Jahren

Rezension

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HeikeGvor 12 Jahren
Sind Sie eine Links- oder eine Rechtsnase? . Die Geschichte vom mörderischen Duftgenie Jean-Baptiste Grenouille zog weltweit Millionen Leser und schließlich auch Kinozuschauer in ihren Bann. Dank seiner Supernase konnte er Ulmen- von Birnbaumholz unterscheiden oder wusste nach dem Geschmack von Milch zu sagen, von welcher Kuh sie stammte und was diese vorher gefressen hatte. Dabei ist solch eine Gabe gar nicht so weit hergeholt. Denn geübte Weintester kommen diesem Genius schon ziemlich nahe, indem es ihnen zum Beispiel gelingt, Anbaugebiet und Jahrgang zu erkennen. Allerdings entlarvt Patrick Süskind das Genie in seinem Roman "Das Parfüm" gerade in seiner besonderen Sinnlichkeit als ambivalent und destruktiv. Hanns Hatt, einer der renommiertesten Geruchsforscher von der Ruhr-Universität Bochum, legt noch eins drauf. Er fand unlängst in seinem Labor heraus, dass der typische Barrique-Geschmack eines guten Rotweins weder die Geruchs-, noch die Geschmackssinneszellen reagieren lässt. Ausschließlich der Nervus trigeminus, der unter anderem für Schmerz- und Temperaturempfindungen zuständig ist, wird gereizt. . Nun wollen Hanns Hatt und die Wissenschaftsjournalistin Regine Dee keineswegs Sinnlichkeit und Genuss beim Weintrinken in Frage stellen. Im Gegenteil. Düfte bestimmen unser Leben. Sie sind nicht nur ein fühlbarer Glücksfaktor, der uns guten Geschmack überhaupt erst ermöglicht, sondern sie beeinflussen sogar nicht unerheblich, wen wir lieben oder eben nicht riechen können. Nicht von ungefähr entstanden solche Floskeln wie: "Den kann ich nicht riechen" oder "Von dem habe ich die Nase gestrichen voll". Mittlerweile wurde das Riechen aus der Schublade des animalischen, triebhaften Sinnes, der chemischen Informationsquelle ohne Geist, herausgeholt, in das es von Wissenschaftlern und Philosophen lange Zeit gesteckt wurde. 90 Prozent des guten Aroms haben mit dem vermeintlich niederen Sinn zu tun! "Die Nase ist die Aromaspezialistin unseres Körpers", wissen Hatt und Dee. Genauso wie Buchstaben ein Wort bilden, so setzt sich zum Beispiel das Odeur einer frisch gebrühten Tasse Kaffee aus einer Mischung von verschiedenen Duftmolekülen zusammen. Mit 350 Buchstaben wartet das Duft-ABC auf und viele "Wörter" schlagen locker das derzeit längste im Duden: Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung. . Die beiden Autoren haben eine kleine Schule des Riechens und Schmeckens verfasst, die zeigt, wie gut die eigenen Nase ist und wie man seinen Geschmackssinn trainieren kann. Gegliedert in sechs Kapitel mit jeweils zwei bis vierseitigen, kurzen und unterhaltsamen Lektionen gehen sie unterschiedlichen Fragen und Aspekten des "guten Geschmacks" nach. Warum packt uns plötzlich so ein Heißhunger auf Cheeseburger? Weshalb schmeckt der im Urlaub gekaufte Wein zu Hause ganz fad? Wie kann auch ich zum Feinschmecker, zum Riechprofi werden? Oder kann ich mit der Nase sogar mein Gehirn trainieren? Hatt und Dee zeigen, wie uns die Nase manipuliert und dass uns bestimmte Duftstoffe sogar älter oder jünger (Pampelmuse!), dicker oder dünner erscheinen lassen. Blumige Duftnoten fungieren sozusagen als "olfaktorisches Äquivalent zum Längsstreifen". Zudem können sie unser Wohlbefinden beeinflussen. So schläft man nachweislich mit Jasmin und Lavendel in der Luft tiefer, wenn auch nicht länger. Hopfen wiederum wirkt angstlösend und entspannend. Dabei - Männer aufgepasst! - ist es völlig egal, ob "Sie sich nun mit einem Hopfenbad verwöhnen oder sich lieber vor dem Einschlafen ein dunkles Bier genehmigen (...), abgesehen natürlich von den Kalorien", behauptet Hanns Hatt. . Fazit: "Eine duftfreie Welt gibt es nicht, und sie wäre auch für unsere Psyche und für unser Wohlbefinden gar nicht förderlich", konstatieren Hanns Hatt und Regine Dee. Vollendeter Genuss stellt sich als gigantische Symphonie aus Emotionen und Sinneseindrücken dar, bei dem das Schmecken und vor allem das Riechen einen nicht unerheblichen Einfluss haben. Vielleicht bringen die beiden Autoren noch ein GROSSES Buch vom Riechen und Schmecken heraus. Es wäre wünschenswert. Denn bei der versammelten Fülle unterschiedlichster Themen können sie zweifelsohne nur an der Oberfläche "schnuppern". Derweil stellt sich ihr vorgestellter "literarischer Geschmackstest" als unglaublich spannendes Thema dar, welches ein deutlich tieferes "Inhalieren" erfordert.
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