Eher „Falldarstellungen“ denn „Fallgeschichten“
Professor Kröber ist Psychiater und Psychotherapeut und über den größten Teil seines Berufslebens hinweg Leiter des Instituts für forensische Psychiatrie an der Charite.
Was heißt, dass er intensiv in der Begutachtung und Begleitung von Kriminellen vielfacher Couleur, auch von Mördern und Totschlägern, eingebunden war. Und von dieser Vielfalt an „Fällen“ wiederum hat er nun jene, wenig erforschte, „Grauzone“ von „Wiederholungstätern“ (er nutzt den Begriff „Mehrfachmörder“) zum Zentrum seines Buches gemacht, deren Reiz sicherlich gerade auch in der bisher wenigen Beachtung in der Forschung liegt.
„Wird er (oder sie) es wieder tun“?
Ist dabei natürlich nicht nur eine theoretisch-abstrakte Frage, sondern durchaus zentral im Blick auf das Ende einer Haftzeit, im Blick auf die Verantwortung der begleitenden Ärzte und Psychologen, ob eine konkrete Gefahr noch gesehen werden kann.
Und immer wieder, davon künden die 45 Fälle im Buch, kann man da eben nicht wirklich sicher sein, wird auch gegen jede verantwortliche, positive Prognose ein „Restrisiko“ nicht auszuschließen sein. Wie bei jenem Homosexuellen, der bereits zweimal gemordet hatte (aus Scham und Angst, dass seine Veranlagung breit, vor allem dem Vater, bekannt werden könnte), nur um dann nach Verbüßung der Strafen plötzlich auf offener Straße „auszuticken“ und eine Frau will mit einem Messer zu attackieren.
Hätte man diese mangelnde Beherrschung, diese allgemeine Wut, sehen, diagnostizieren, vorwegahnen können?
„Ich bin so jemand, der, wenn es nötig ist, auch tötet“.
Ein schwieriges Feld, da genau jene kleine Spezialgruppe der Wiederholungstäter mit Todesfolgen sich der allgemein breit erforschten „Rückfallforschung“ mit ihren Prognoseinstrumenten einfach völlig entziehen.
So legt Kröber dem Leser zunächst eine statistisch untermauerte und der Funktion von „Gewalt“ nachgehende Einleitung vor, bevor er (sachlich gruppiert) die einzelnen Fälle vor Augen führt um am Ende der Frage nachzugehen, was denn genau jene kleine Gruppe von der überwiegenden Mehrheit nicht rückfällig werdender Straftäter unterscheidet. Und kommt zu durchaus interessanten Ergebnissen von möglichen „Antrieben“, die am Ende wenig mit den konkreten Taten zu tun hat, sondern in anderen Schichten der Persönlichkeit zu finden sein könnte.
Was insgesamt ein durchaus interessantes Thema menschlicher „Randerscheinungen“ darstellt, die dennoch im allgemein-menschlichen verhaftet zu sein scheinen.
Was für den Leser aber auch eine Herausforderung durch den Stil Kröbers in den Raum setzt, denn überaus trocken und weitgehend rein deskriptiv kommt der Hauptteil des Werkes mit den Falldarstellungen daher, die nüchtern im Tonfall wenig Emotionalität hervorruft und daher als reines Sachbuch das Interesse am Thema eindeutig voraussetzt. Dann aber mit Gewinn zu lesen ist.
Eher „Falldarstellungen“ denn „Fallgeschichten“