Hans-Ulrich Wiemer

 5 Sterne bei 2 Bewertungen

Lebenslauf

Hans-Ulrich Wiemer lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Von ihm ist bei C.H.Beck zuletzt erschienen: Alexander der Große (2015).

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Theoderich der GroĂźe (ISBN: 9783406719080)

Theoderich der GroĂźe

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Erschienen am 15.03.2018

Neue Rezensionen zu Hans-Ulrich Wiemer

Cover des Buches Theoderich der GroĂźe (ISBN: 9783406719080)
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Rezension zu "Theoderich der GroĂźe" von Hans-Ulrich Wiemer

positiver Etikettenschwindel
Ein LovelyBooks-Nutzervor 5 Jahren

Bereits vor Jahren hatte ich die schmale Biographie (192 Seiten) Theoderichs von Frank M. AusbĂĽttel gelesen und mich gewundert, wie aus den relativ spärlichen Ăśberlieferungen nun das ĂĽber 650 Seiten im Textteil umfangreiche Werk Wiemers entstehen konnte. Die Erklärung ist einfach, im Gegensatz zu AusbĂĽttel beschränkt sich Wiemer nicht auf die Darstellung des Lebens Theoderichs, sondern die Italiens in der Spätantike. Dies ist ihm in eindrucksvoller Weise gelungen, es geht nicht nur um die Eroberung des Landes durch die Goten, sondern auch die Schilderung des Zusammenlebens zwischen Eroberern und Eroberten. Kurz gesagt, könnte man von einer Arbeitsteilung sprechen. Die Goten sorgten als Krieger fĂĽr den inneren und äuĂźeren Frieden, die Römer, insbesondere die aus der Senatorenschicht, kĂĽmmerten sich um die Innenpolitik. Dass dies weitgehend spannungsfrei funktionierte, stellt die eigentliche Leistung des Gotenkönigs Theoderich dar, um so mehr, als dass zwischen den Goten als Arianern und den Römern als Katholiken zwei christliche Konfessionen zusammenlebten. Anders als im Vandalenreich versuchte der König nicht, mit Gewalt der Bevölkerungsmehrheit seinen Glauben aufzuzwingen. Auch die wechselnden Päpste, sonst bei religiösen Auseinandersetzungen immer auf dem Primat des römischen Bischofsstuhls gegenĂĽber allen anderen Bischöfen beharrend, erkannten die Vorteile dieser Kohabitation. So kam es zu einer späten BlĂĽte Italiens, die allerdings schnell zusammenbrach. als der Herrscher, der offensichtlich unzulängliche Nachfolgeregelungen getroffen hatte, starb. Innergotische Wirren ausnutzend ergab sich fĂĽr den oströmischen Kaiser die Möglichkeit, diesen verloren gegangenen und prestigeträchtigen Reichsteil zurĂĽckzuerobern. In weiteren Teilen seines Buches geht Wiemer umfassend auf die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen nach dem Untergang des weströmischen Reiches ein. Abgerundet wird das ganze durch eine Betrachtung der Veränderungen, die die Darstellung Theoderichs in der Geschichtsschreibung erfahren hat. Erstaunlich fand ich, dass er wider Erwarten in der Zeit des Nationalsozialismus nicht als Vorkämpfer des Germanentums dargestellt wurde, sondern eher stiefmĂĽtterlich behandelt wurde. Der Grund dafĂĽr dĂĽrfte in seiner Toleranzpolitik gegenĂĽber der jĂĽdischen Minderheit in seinem Reich gelegen haben.


Cover des Buches Theoderich der GroĂźe (ISBN: 9783406719080)
Bellis-Perenniss avatar

Rezension zu "Theoderich der GroĂźe" von Hans-Ulrich Wiemer

Ein groĂźer Herrscher
Bellis-Perennisvor 6 Jahren

Historiker Hans-Ulrich Wiemer wagt sich nach Alexander dem GroĂźen (erschienen 2015) an den nächsten antiken Herrscher: Theoderich dem GroĂźen, Herrscher ĂĽber das (West)Römische Reich von ca. 471 – 526 n. Chr.. 

In vierzehn schön gegliederten Kapiteln erfahren wir vom wechselvollen Schicksal der (Ost)Goten vom späten 4. Jh. Bis zum Untergang ihres Reiches um 552 n. Chr.. 

Zu Beginn wird versucht die Herkunft der West- und Ostgoten anhand von Zuwandererströmen und Landkarten herzuleiten.

Kein einfaches Unterfangen, da die Anfänge nicht wirklich schriftlich dokumentiert sein. Die meisten bekannten Tatsachen (?) sind aus zweiter, manchmal auch aus dritter Hand. Nicht zu vergessen, dass die Goten kein Volk im genetischen Sinne sind. Sie gehören unterschiedliche Clans an, die sich im Bedarfsfall zu einer Kriegergemeinschaft zusammenschlieĂźen.  

Obwohl es recht spannend ist, wie sich Theoderich der Große (Es gab mehrere gotische Fürsten dieses Namens, was leicht zur Verwirrung beitragen kann.) vom Anführer einer, nun sagen wir es deutlich, reitenden Räuberbande bis zum König über das Weströmische Reich entwickelt, wirkt die Person recht farblos auf mich. Ja, er erschlägt Odovaker (Wiemer wählt den latinisierten Namen) eigenhändig und beendet die duale Herrschaft.

Was Theoderichs Herrschaft so interessant macht, ist eine Art „Gewaltenteilung“. Die Goten sind fĂĽr die Sicherung der Grenzen und die AuĂźenpolitik zuständig, die besiegten Römer fĂĽr die Verwaltung inkl. Steuereinhebung und den wirtschaftlichen Wohlstand. Er akzeptiert die Römischen Lebensart und fordert dies auch von seinen Kriegern. 

„Denn euch nĂĽtzt es, wenn die Römer in Ruhe leben: Während sie unsere Kassen fĂĽllen, vervielfachen sie eure Donative“ (S. 226). 

Mit diesem Balanceakt verschaffte er dem Weströmischen Teil des Imperiums noch einmal eine Zeit der politischen und ökonomischen Stabilität.

 Theoderich gewährt die im weitesten Sinne Religionsfreiheit (ausgenommen hiervon sind nur heidnische Kulte), die auch die Juden miteinschlieĂźt denn,

„Wir können das Bekenntnis (religio) nicht befehlen, weil niemand sich zwingen lässt, gegen seinen Willen zu glauben.“ (S. 509)

Welch eine Einsicht! Allerdings darf dies nicht als „Toleranzpatent“ oder ähnliches gesehen werden. Theoderich wollte keinen Glaubenskrieg in seinem Reich.

 Seine kluge Politik erstreckt sich auch auf eine, auf Hochzeiten basierende BĂĽndnispolitik. Lange vor den Habsburgern und ihrer „Tu Felix Austria Nube“-Politik, weiĂź Theoderich um die Stärke familiärer Bindungen zu anderen Germanenreiche, vor allem im westlichen Mittelmeer. Auch mit dem Oströmischen Reich und seinem Basileus verbindet ihn, ein, wenn auch nicht ein rechtlich klares, zumindest friedliches Verhältnis. Fast dreiĂźig Jahre herrscht besonnener Friede. 

In den letzten Jahren seiner Herrschaft beginnen die Probleme, die letztlich zum Untergang seines Reiches in Italien führen: Da sind zum einen recht willkürliche Todesurteile gegen Römische Senatoren wie Boethius (524 n. Chr.) und Symmachus (526 n. Chr.), die die Oberschicht gegen ihn aufbringen. Auch der Tod des Papstes Johannes I. in seiner Gefangenschaft, stößt die katholische Kirche vor den Kopf.

Einige seiner, durch Heiraten zustande gekommenen, Bündnisse mit anderen Germanenstämmen, scheitern Das Unvermögen, rechtzeitig einen Nachfolger zu benennen und den aufzubauen tut ein Übriges dazu, dass das komplexe Machtgefüge – das Reich erstreckt sich immerhin auch auf Südfrankreich und Spanien – in zwei Jahrzehnten nach Theoderichs Tod wieder zerfällt.

 Was bleibt also von Theoderich dem GroĂźen? 

1. Das Papsttum wird unter Theoderichs Herrschaft vom Ostrom unabhängig. Er gewährt Religionsfreiheit, wahrscheinlich deswegen, weil er und seine Goten im Sinne der Katholische Kirche eigentlich als Ketzer gelten.

2. Er ist einer der wenigen, deren Leben in die Sagenwelt eingeht. Als „Dietrich von Bern“ ist er vielen ein Begriff. Die deutsche Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts adoptierte ihn quasi als „Vorläufer“ eines deutschen Herrschers, ähnlich wie Arminius. 

3. Seine Bautätigkeit nicht nur in Ravenna, aber besonders dort. Millionen von Touristen bestaunen jedes Jahr Theoderichs Grabmal und die von ihm errichteten Sakralbauten wie Sant’Apollinare Nuovo.

 Meine Meinung:

 Der Autor beschreibt das wechselvolle Schicksal der (Ost)Goten vom späten 4. Jh. bis zum Untergang ihres Reiches in Italien 552 n.Chr. detailliert und gekonnt und bleibt sehr nahe an den ĂĽberlieferten Texten der Quellen, wie z. B. die Schriften von Cassiodor.

 Der Schreibstil ist einem Sachbuch angemessen – nĂĽchtern und schnörkellos. Auf Basis der fĂĽr Theoderichs Zeit gut ĂĽberlieferten Schriftzeugnisse, präsentiert der Autor eine Vielzahl von Fakten. Das geht natĂĽrlich zu Lasten der Lebendigkeit. Ein Ereignis nach dem anderen wird aufgezählt, die Dramatik, die dahintersteckt, ist nur ansatzweise zu ahnen.

 Fachleute dieser Epoche werden ihre Freude mit diesem Werk haben, der interessierte Laie könnte unter Umständen ein wenig MĂĽhe mit dem Detailreichtum haben. Gut gefällt mir, dass viele Fotos, Abbildungen und Karten das Buch ergänzen.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis, Anmerkung und Stammtafeln ergänzen dieses umfangreiche Werk.

 Die Biografie Theoderichs hätte sich eine weite Verbreitung verdient. Doch es ist allerdings zu befĂĽrchten, dass dies aufgrund der akribischen Detailverliebtheit des Autors nicht so einfach sein wird.

 Fazit:

 Ich finde das Buch sehr interessant und gebe ihm gerne fĂĽnf Sterne.

 

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