Cover des Buches Martin und Fritz Heidegger (ISBN: 9783406528811)
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Rezension zu Martin und Fritz Heidegger von Hans Dieter Zimmermann

Das Original und sein Bruder

von Aliknecht vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ein wunderbarer Bericht aus einer vergangenen Zeit: "In der Nacht ist es still, so still, wie wir es heute nicht mehr erleben können."

Rezension

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Aliknechtvor 7 Jahren
In dem kleinen badischen Provinzstädtchen Meßkirch, das an der Ablach und hart an der Grenze zum Hohenzollerischen liegt, wuchsen die beiden Brüder Martin und Fritz Heidegger auf. Die Stadt liegt im Schatten eines Schlosses, das sich früher im Besitz der Grafen von Zimmern befand, und der großen Stadtkirche St. Martin. Dort war der Vater Mesmer und die beiden verrichteten ab frühester Jugend als Mesmerbuben Glockendienste an den sieben Glocken, die mit ihren unterschiedlichen Klängen den katholischen Tages- und Jahresablauf markierten.

Die begabten Brüder wurden mit Stipendien nach Konstanz aufs Gymnasium und ins dortige Konradihaus geschickt. Martin Heidegger stieg zu einem weltbekannten Professor der Philosophie auf, während Fritz am Konstanzer Gymnasium scheiterte und nach verschiedenen Zwischenstationen bei der Volksbank in Meßkirch über Jahrzehnte Geld verwaltete. Fritz entwickelte sich zu einem in der Stadt und ihrer Umgebung weithin bekannten Original und Fasnachtsredner und stand örtlich in hohem Ansehen, während man den geistigen Höhenflügen des Philosophen nur teilweise zu folgen vermochte.

Die beiden Brüder verstanden sich über das ganze Leben hinweg aufs beste und unterstützten sich gegenseitig. Fritz fertigte auf seiner Schreibmaschine in jahrelanger Arbeit Kopien von Kisten voller handschriftlicher Manuskripte Martins an, die dieser niemand im Freiburger Institut anvertrauen wollte. Sie kamen auf diese Weise zu einer engen Zusammenarbeit über philosophische Themen und Fritz war gegen Ende des 2. Weltkriegs behilflich, eine große Zahl von Unterlagen in der nahen Burg Wildenstein, hoch über dem Kloster Beuron an der Donau, zu verbergen und sicher einzulagern.

Der Autor Hans Dieter Zimmermann konnte auf eine Vielzahl von Photos, Briefen und anderen schriftlichen Unterlagen und auf detaillierte Information von dem katholischen Priester Heinrich Heidegger, dem Sohn von Fritz, zurückgreifen. Das Buch beschreibt den Nachhall der schmerzhaften Spaltung in Katholiken und Alt-Katholiken, die in Baden recht stark waren, und berichtet über die Zeit des 1. Weltkriegs, der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, dem Fritz reserviert gegenüberstand, während Martin sich davon hat anfangs begeistern lassen. Andere Persönlichkeiten wie der ebenfalls aus Meßkirch stammende ehemalige Konstanzer Stadtpfarrer und Freiburger Erzbischof Conrad Gröber und Hanna Arendt, die bei Heidegger in Marburg studierte und seine Geliebte war, werden auch gestreift. Ein schönes, gut recherchiertes und informatives Buch.
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