Kategorie: Drama | Mystery | Menschliche Konflikte|______| [Als Hörbuch bewertet, bis jetzt 2x gehört]
Etwas schwächer als der Vorgängerteil (vor allem, was Spannung und Mitratepotential angeht), behält aber dessen liebenswerte Eigenheiten weitgehend
Besonderheit: Die absichtlich skurrilen Charaktere schaffen es, in der Geschichte völlig natürlich integriert zu sein und auch im zweiten Teil ist der altmodische Touch weit davon entfernt, altbacken zu sein.
Worum dreht sich die Handlung?: Wo Mr. Sattisway sich auch hinverirrt – das Drama lässt ihn nicht in Ruhe. In den vier Kurzgeschichten („Die Seele des Croupiers“, „Das Ende der Welt“, „Die Stimme aus dem Nichts“ und „Das schöne Gesicht“) reist der erstaunlich weltgewandte Herr auch mal nach Monaco und Korsika. Und wer hätte es gedacht? Auch dort stößt er auf den mysteriösen Mr. Quin, der ihm hilft, die Fäden der komplizierten Knoten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seiner Mitmenschen zu entwirren, Gerechtigkeit zu üben, Verbrechen aufzuklären und Unglück zu verhindern.
Teilbewertung (Legende *= hat mich nicht überzeugt, **= ausbaufähig, ***=solide/gut zu lesen, ****= sehr gut/klare Empfehlung, *****= exzellent/schwer zu erreichen):
- Handlung**°
Im zweiten Teil der dreiteiligen Hörbuchreihe kommt der Krimifaktor deutlich kürzer als im ersten. Zwar geschehen in jeder der Geschichten Verbrechen, sind jedoch sind nach meiner Wahrnehmung in zwei der Geschichten (Croupier und Ende der Welt) zwar Angelpunkt, jedoch eher als Ansatzpunkt für das Drama denn als Vorgang, den es an sich aufzuklären gilt. Auch der Mitratefaktor ist bei diesen zwei Geschichten stark eingeschränkt, da für die Auflösung des Rätsels Informationen benötigt werden, die erst sehr kurz vor der Auflösung gegeben werden. Dafür steht das Drama noch mehr im Vordergrund als im ersten Band. Für einen mysteriösen Anhauch sorgt fast nur noch Mr Quin und die hin und wieder gelungene Beschreibung der stimmungsvollen Handlungsumwelt (und eine Seance, deren Inszenierung im Nachhinein zwar klar ist, die aber nicht wirklich aufgeklärt wird, was mir ehrlich gesagt gefehlt hat). Da die Geschichten meiner Meinung nach zwar solide zu lesen sind, jedoch etwas hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, gibt es leider nur 2,5 Sterne.
- Aufbau **
Der Aufbau ist hier oft nicht aufs Mitraten ausgelegt, der Spannungsbogen weniger gut gespannt. Oft ist die Handlung ohne erkennenswerten Grund sehr langsam. Manchmal mäandert die Geschichte lange etwas vor sich hin, ohne zum Punkt zu kommen – wie das Leben, könnte man meinen, trotzdem ist dies beim Vorgänger etwas besser geglückt. Die Auflösung ist jedoch immer präzise platziert.
- Charakterzeichnung ****
Die Charaktere haben mir in diesem Teil sehr zugesagt. Sie sind oft eigenwillig und unangepasst, wollen nicht gefallen. Im Vergleich dazu wird hier mit einer noch größeren Präzision das soziale Umfeld der Elite (sic!), zu der Mr. Sattisway sich zählt, und all ihrer Marotten auseinandergenommen. Diese Geschichten leben eindeutig für den ein- oder anderen Nebencharakter.
Mr. Sattisway scheint seit dem ersten Teil eine deutliche Wandlung durchlaufen zu haben. Er verlässt seinen Beobachterposten immer mehr und mischt aktiv mit. Schon gleich zu Beginn fällt auf, dass er von sich aus an den sozialen Geschichten einer Gruppe junger amerikanischer Touristen Anteil nimmt – nachdem es in der ersten Geschichte von Teil 1 noch hieß „junge Leute in Herden mochte er nicht“. Er scheint sich also zur Gesellschaft hin zu öffnen – ohne jedoch seine leicht arrogante (und mir leider immer noch unsympathische) Art abzulegen. Tatsächlich kommt er in dieser Sammlung mit einigen unerwarteten Gewohnheiten um die Ecke, die aber nicht unbedingt mit charakterlicher Inkonsistenz korrelieren. Die Entwicklung des Charakters ist gut gemacht.
Mr. Quin hat einige schöne Auftritte, kommt aber insgesamt recht kurz. Fast scheint es, als würde er sich als Mentor mehr und mehr zurückziehen, damit Mr. Sattisway zunehmend selbstständiger agiert (vielleicht ist das die langfristige Richtung, in die es laufen soll). Oft sucht ihn Mr. Sattisway sogar von sich aus auf – an Orten an denen er früher schon war, was ich etwas schade fand, er wirkt dadurch berechenbaren und es entstehen keine neuen Auftrittsatmosphären. Gleichzeitig wird bewusst das Mysterium um diesen Charakter mehr ausgebaut – neblige Auftritte, tiefe Wirkung auf andere und mehrschichtige Andeutungen mit eingeschlossen.
- Sprache und Stil ****
Sprache und Stil sind unverändert gut – es gilt im Großen und Ganzen das, was in der letzten Rezension schon beschrieben wurde. Verstärkt tritt ab und an ein humoristisch-spitzer Ton hervor, der mir gut gefällt. Teils wird auch Mr. Sattisways Verhalten ironisch kommentiert (z.B. wie er in der Oper nach einem „Gesprächsopfer“ sucht, diese kleine, nur aus zwei bis drei Sätzen bestehende Stelle ist köstlich).
- Zielgruppe(n)
Etwas für Leute, die an den ersten Geschichten von Mr. Sattisway und Mr. Quin gefallen gefunden haben und mit der leichten Enttäuschung der etwas weniger spannenden und mysteriösen Geschichten kein Problem haben. Ich war „vorgewarnt“, bin trotzdem mit unvoreingenommenem Ohr herangegangen und kann es so bestätigen. Es ist viel Drama vorhanden, man sollte sich darauf – und auf die skurrilen, schön gezeichneten Nebencharaktere – einlassen, um das Hörbuch mit voller Würdigung genießen zu können. Außerdem in Fall 1 und Fall 2 nicht versuchen, die Auflösung zu erraten – darauf kommt es bei diesen Geschichten nicht an.
- Fazit ***
Etwas schwächer als der Vorgänger, der Fokus liegt definitiv wo anders. Ich hatte Freude an den kleinen Beschreibungen und eigensinnigen Charakteren und konnte das Hörbuch auf eine andere Weise genießen als den ersten Teil (auch wenn bei Geschichte 3 und Geschichte 4 wieder leichtes Krimigefühl aufkam). Der zweite bot weniger Krimi, weniger Mystery, dafür mehr Drama und Charaktertiefe sowie Gesellschaftskritik. Ich hoffe, dass der dritte Teil der Geschichtensammlung wieder auf andere Weise mit dem Stoff experimentiert, entweder mit mehr Mysteryfaktor oder mehr Krimiartigkeit, nicht weil der zweite Teil schlecht gewesen wäre, sondern, weil in diese Richtung viel Potential besteht. Der zweite Teil erhält rein rechnerisch wie schon der erste 3 Sterne (vor allem für oben genannte Vorzüge), meine persönliche Wertung liegt knapp darunter. Auch diesmal werde ich mir den dritten Teil zulegen und bin gespannt, was mich erwartet.