Rezension zu "Die Landgeherin" von Hans Haid
Die Landgeherin - ein Titel, bei dem ich mir erst einmal nichts darunter vorstellen konnte. Der Klappentext machte mich aber neugierig und ich muß sagen, es hat mir gut gefallen. Es geht um Menschen aus der Zeit um 1890, die in den Tiroler Bergen leben, Menschen, die wie Nomaden durchs Land ziehen, mal hier, mal da, mal dort wohnen, immer unterwegs, immer auf der Reise. Kein Zuhause, keinen festen Zufluchtsort, keine Kontinuität in ihrem Leben. Die Frauen der Sippe sind meist Heilerinnen, die Männer bieten ihre Fähigkeiten als Scherenschleifer oder ähnliches an. Ging beim Heilen etwas schief, waren sie schnell als Hexe verrufen. Mit dabei immer einen Stall voller Kinder, die so schnell sterben, wie sie auf die Welt kommen.
So lernen wir hier Ana kennen, ein junges Mädchen von gerade mal 14 Jahren, das sich von ihrer Landgeher-Familie getrennt hat. Sie ist anders... kann lesen, was zu dieser Zeit sehr selten vorkam. Und sie geht in die Kirche, betet, stellt Fragen. Durch ihre freundliche, saubere Art kommt sie bei den Dorfbewohnern häufig gut an, man vertraut ihr. Sie nimmt uns mit auf den Weg durch die Welt der Berge, im Schneesturm genauso wie bei Sonne oder Regen. Schwer ist ihr Weg, lang und hart. Sie ist auf der Suche, auf der Suche nach den weißen Frauen mit den roten Fahnen.
Ich fand's klasse, sehr interessant geschrieben. Gerade dieser schwammige Bereich um Heilerei und Hexerei übt einen besonderen Reiz aus. Es geht hier nicht um irgendwelche Rezepte oder Rituale, sondern einfach um ihr Leben als Landgeher. Lebensnah wird geschildert, wie die Familie quer durchs Gebirge zieht, häufig hat man als Leser das Gefühl, direkt dabei zu sein. Beim Lesen fällt einem auf, dass die Zeit einfach eine ganz andere war, frei von Technik und jeglichen heutigen Hilfsmitteln, ganz auf sich und seinen Instinkt angewiesen. Als Landgeher waren sie abhängig von der Hilfe anderer. Waren sie durch den allgemeinen schlechten Ruf in Ungnade gefallen, hatte man keine Chance auf eine Unterkunft irgendwo im Stall, auf dem Heuboden. Heute würde man sie wohl eher als Zigeuner bezeichnen.
Auch die Beschreibung der Landschaften spricht mich sehr an, läßt wunderbare Bilder vor dem inneren Auge entstehen.
Herr Haid hat es geschafft, dass ich dieses Buch innerhalb sehr kurzer Zeit gelesen habe, weil sein Schreibstil angenehm zu lesen ist.