Eines der stärksten Leseerlebnisse, die ich überhaupt hatte, was die Ungewöhnlichkeit und Wildheit der deutschen Sprache angeht. Ein Werk des großen Autoren, Komponisten, Orgelbauers, Religionsstifters und Pferdezüchters (!) Hanns Henny Jahnn. Ein Autor, der keiner Strömung zuzuordnen ist, einer der großen Einzelgänger der deutschen Literatur. Sein Werk ist einzigartig und sprachlich von unglaublicher Kreativität. In vielen seiner Bücher wird nicht weniger als die Welt thematisiert und Jahnn war einer derjenigen, die hellsichtig Themen wie Ökologie oder Atomkraft bearbeitete, lange, bevor sie öffentlich Aufmerksamkeit erregten.
Perrudja, von 1929, ist ein typisches Beispiel der Jahnn`schen Erzählkunst. Verschachtelt, verrätselt und urwüchsig Märchen- und Sagenmotivik, Heldenepos und moderne Techniken miteinander verwebend. Jahnns abstruser Bildungs- und Interessenhintergrund, seine Homosexualität und sein enormer Sprachschatz finden hier zu einer Mischung zusammen, die einem den Mund offen stehen läßt. Keine leichte Lektüre, sicherlich, aber eines dieser Bücher, mit denen man sich wieder und wieder beschäftigen kann. Jahnns Pathos mag heute manchmal ungewohnt klingen und macht auch deutlich, warum es eine gerade Linie von der pathetisch aufgeladenen Sprache des Expressionismus zum Vokabular des Nationalsozialismus gibt. Dass des Autors Verbundenheit mit der Natur, der Heimat, der Rasse hie und da falsch in die Richtung "Blut & Boden" gedeutet wird, ist schade und völlig verblendet. Das "Nordische" gibt es bei Jahnn durchaus, aber niemals würde ich ihn irgendwelcher brauner Neigungen beschuldigen.
Den Weltkrieg überstand Jahnn übrigens auf einer dänischen Insel und kehrte ins Nachkriegsdeutschland zurück, ständig mahnend und warnend, aber seiner Zeit unbequem und Jahre vorraus.