Mit seinem jüngsten Buch hat der Autor, Journalist und Herausgeber Hans Jürgen Kugler einen kleinen, feinen Roman geschrieben. Klein, weil er nur 180 Seiten umfasst, aus einem einzigen Blickwinkel – dem von Daniel, der Hauptfigur – geschrieben ist und sich regional auf wenige Schauplätze konzentriert. Fein, weil er in Sachen Story, Sprache und Stil zu begeistern weiß.
Die Handlung wird lange ausschließlich aus der Sicht des Protagonisten wiedergegeben – und sie erschöpft sich nicht in dem oben beschriebenen Plot. “Von Zeit zu Zeit” erzählt nämlich auch die Geschichte eines Mannes, der anspruchslos und selbstzufrieden ist und dem Neugier und Abenteuerlust abhandengekommen sind; der lange alleine gelebt hat und dem es deshalb schwerfällt, unbefangen auf andere zuzugehen. Als Daniel seine Jugendliebe Iris wiedertrifft und sie ihm Avancen macht, werden ihm seine Defizite bewusst. Die gemeinsame Fahrradtour im französischen Jura weckt in ihm den Wunsch, sein Leben zu ändern. Doch das fällt ihm schwer. Es ist streckenweise geradezu quälend zu lesen, wie Daniel sich beim Versuch, Iris näherzukommen, immer wieder selbst im Weg steht.
Das albtraumhafte Erlebnis der Zeitanomalie einerseits und Daniels Hoffnung auf Veränderung andererseits bieten zahlreiche Anlässe für Gedanken und Gespräche über die Zeit, über die Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf das Heute, über verpasste Gelegenheiten und neue Chancen. Diese Reflexionen, die den Roman durchziehen, umfassen nicht nur Daniels und Iris´ Leben, sondern auch das ihrer ganzen früheren Clique aus Villingen.
Erst im letzten Drittel weitet das Buch den Blickwinkel: auf die Flugverkehrsleitung in Zürich, wo “Normalzeit” herrscht, und auf eine Passagiermaschine im Luftraum über dem Protagonisten, das in der Zeitanomalie festhängt. Dadurch werden die Gefahren, die ein großes “Zeitverzögerungsfeld” darstellt, auf dramatische Weise deutlich gemacht.
Die schüchterne Liebesbeziehung, die sich nur langsam entfaltet, ist einfühlsam entwickelt. Die Dialoge sind lebensnah und wirken nie verkünstelt. Zu den faszinierendsten Passagen gehören die, in denen Kugler die Zeitverzögerungsphänomene beschreibt: die Kälte in geschlossenen Räumen, die Beschaffenheit von Wasser in seinen vielen Erscheinungsformen, die Gefahren, die von Blättern, Grashalmen und Insekten ausgehen, und die Probleme damit, Nahrung zu sich zu nehmen.
Die Schauplätze des Romans sind Freiburg im Breisgau und die Gegend rund um Überlingen. Kugler versteht es, die Eigenart und Atmosphäre der Schwarzwaldmetropole und der Bodenseeregion in vielen Details einzufangen.
Eine weitere Stärke dieses durchweg lesenswerten Buchs ist sein Ende: Der Autor verzichtet auf eine detaillierte physikalische Erklärung des Zeitphänomens und belässt es bei einer Andeutung, die er einer Teilchenphysikerin, in den Mund legt. Was den Protagonisten selbst betrifft, überraschen die letzten Seiten, denn bei aller der Gefahrensituation angemessenen Tragik gibt es zumindest für Daniel und Iris eine versöhnliche Lösung.