Als Ylva ihr Büro verlässt, ahnt sie nicht, dass sich ihr Leben in Kürze für immer verändern wird. Sie verabschiedet sich von ihren Kollegen, wünscht allen einen schönen Abend und macht sich auf den Heimweg. Nach wenigen Minuten hält ein Auto neben ihr. Alte Bekannte, wie es scheint. Sie bieten Ylva an, sie ein Stück mitzunehmen. Ylva fühlt sich unbehaglich, doch sie will nicht unhöflich sein, nimmt das Angebot an und steigt ein. Eine Entscheidung, die sie für immer bereuen wird.
Nachdem "Entführt" von Hans Koppel nun schon viele Jahre ungelesen in meinem Regal stand, nutzte ich meine Urlaubszeit, um mir das Buch zu Gemüte zu führen. Ich habe mich im Voraus weder mit dem Inhalt des Buches, noch mit Rezensionen oder Eindrücken anderer Menschen befasst und das Buch einfach auf mich wirken lassen. Und ich muss sagen: zum Glück. Denn hätte ich die Bewertungen vorher gelesen, hätte das Buch wohl noch den ein oder anderen Tag ganz unberührt in meinem Regal verbracht. Aber so ist das eben, Geschmäcker sind verschieden und mich konnte der Thriller in vollem Umfang begeistern.
Ich muss gestehen. Mir fiel es zunächst schwer mich in die Geschichte einzufinden. Diese Art des Schreibstils ist mir so nicht geläufig gewesen. Aber ich bin dran geblieben und es hat sich gelohnt.
Die Geschichte wird aus der Perspektive verschiedener Personen erzählt. So haben wir zum einen die entführte Ylva. Die Sicht der "alten Bekannten", Ylvas Ehemann, die Sichtweise eines Ermittlers, einer Freundin der Entführten und den Blickwinkel zweier ehemaliger Klassenkameraden. Gelegentlich huscht da noch die ein oder andere Person zwischen die Kapitel, die dann jedoch nicht näher beschrieben wird. Das klingt zunächst völlig verwirrend und das war es am Anfang auch. So viele Perspektiven in so kurzen Kapiteln. Aber es hat sich herausgestellt, dass die Geschichte von genau diesen Perspektivwechseln lebt und es hat mir unheimlich Spaß gemacht, Einblicke in deren Leben und Gedanken zu erhalten. Ich muss zudem dazu sagen, dass ich keinen der Charaktere ins Herz geschlossen habe. Das ist meist kein gutes Zeichen, denn wie soll man mitfiebern, wenn man keinem der Protagonisten mit Empathie begegnen kann? Doch hier war das anders. Weil man zu jeder Zeit das Gefühl hatte, dass das Handeln der Personen immer aus einem Grund geschieht, der für mich selbst nicht nachvollziehbar ist, jedoch in der entsprechenden Situation durchaus so stattfinden könnte. Und das macht das Buch so einzigartig für mich. Ich habe jegliche Gefühlslagen durchlebt. Habe mitgefühlt, Trauer empfunden, Wut verspürt und gleichzeitig Verständnis gehabt?! Oft habe ich mich während des Lesens gefragt wie das möglich ist und ich kenne die Antwort auf die Frage noch immer nicht. Aber ich weiß, dass Hans Koppel genau weiß, wie er den Leser einfangen kann, damit die Story weiter verfolgt wird. Denn das Geschehen wird in meinen Augen mit einer Brutalität beschrieben, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann und ich als Leser bin trotzdem gezwungen, mehr in Erfahrung zu bringen. Einfach, weil ich mehr über die Intensionen der Protagonisten erfahren möchte.
Das Buch hat sich für mich kein Stück in die Länge gezogen. Ich habe jede Seite verschlungen. Ganz besonders die letzten 100 Seiten waren so unfassbar spannend, dass ich die Aufklärung gar nicht erwarten konnte. Und die hat es mit den letzten fünf Kapiteln wirklich in sich. Das Ende hat meine ganze Gefühlswelt noch einmal auf den Kopf gestellt und die Sichtweisen verändert. Es kam nicht ganz unerwartet aber es hat mich unheimlich brutal erwischt.
Ich kann leider nicht wirklich beschreiben, wie sehr mir das Buch gefallen hat, ohne genauer auf die Handlung einzugehen. Ich bin froh den Titel völlig voreingenommen gelesen zu haben und hab wohl noch einige Zeit an der Geschichte zu knabbern.
Für mich ist das Buch volle 5* wert und ich kann es wärmstens empfehlen.