Rezension zu "Die Stunde der falschen Triumphe" von Hans Werner Richter
Zur Zeit des Nationalsozialismus war es besser, sich den Wünschen des Regimes zu beugen. Der Friseur des Dorfes passt sich an, auch aus Angst, sonst seinen Friseursalon schließen zu müssen. Der Lehrer hingegen kann sich mit dem nationalsozialistischen Gedankengut nicht anfreunden und ist auch nicht gewillt, sich zu verstellen. Mit allen Mitteln versuchen die Nazis seinen Willen zu brechen, entmutigen ihn, trichtern ihm ihre Ideen ein. Jeder wird zur Anpassung gezwungen.
Nach Kriegsende ist plötzlich alles anders. Der Lehrer hat nun recht, stattdessen werden die Nazis verboten. Wieder ist Anpassung gefragt, vielleicht nicht im gleichen Stil wie zuvor, doch sind ähnliche Muster erkennbar.
Je nachdem, welche Zeit gerade herrscht, scheint Unterordnung das beste Mittel zum Selbstschutz zu sein. Warum mal der eine recht hat und dann wieder der andere - wer soll das verstehen?
Hans Werner Richter erzählt diese auf den ersten Blick zugegebenermaßen langweilig klingende Geschichte in einer Art und Weise, die einen mit jedem Charakter mitfühlen lässt. Beim Lesen langweilt man sich zu keiner Zeit. Zuerst erhält man tiefe Einblicke in die Kriegszeit, erfährt, wie der einfache Mann sein Überleben sicherstellte. Doch Richter hört nicht wie die meisten anderen im Mai 1945 auf, er thematisiert auch die Zeit der Entnazifizierung. Das sich wandelnde Weltbild. Rollentausch der mächtigen und anerkannten Personen mit den verachteten Gegnern des Nationalsozialismus. Plötzlich ist alles anders. Aber was ist nun richtig? Sind nicht beide Situationen auf ihre Weise falsch? Oder verstehen wir sie nur nicht?
Das Buch ist nicht dick und die Geschichte nicht spannend, trotzdem geht sie einem auch aufgrund von Richters Erzählstil nahe. Man begreift. Oder auch nicht. Auf jeden Fall taucht man tief ein in die verwirrende Zeit der 1940er Jahre und die Reise dorthin lohnt sich.