Rezension zu "Im Garten der Romantik" von Hans von Trotha
Wie oder wo soll man ankommen in einem unendlichen Raum? Aus dieser Erfahrung ergab sich die ewige romantische Wanderschaft [...]
Als ich dieses Buch im Schaufenster sah, zog mich die edle Aufmachung wie magisch an. Ich musste es sofort haben! Allein das Blättern durch das liebevoll gestaltete Bändchen war ein Genuss. Es stellte sich aber heraus, dass ich keine bequeme Feierabendlektüre erworben hatte. Wer sich bereits ein bisschen mit der Epoche der Romantik befasst hat, ahnt, dass es in dem Buch zur Sache geht.
"Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr [...]" Die berühmte Gedichtzeile des Spätromantikers Rainer Maria Rilke meint nicht nur den Herbst als die Jahreszeit, in der wir es besonders schmerzlich empfinden, wenn wir kein Zuhause haben, sondern etwas Größeres, nämlich die Erfahrung einer geistigen, einer transzendentalen Obdachlosigkeit. Deren Folge ist ewige Wanderschaft, die das eigene Haus nur noch als Erinnerung, als Idee im Kopf und als Gefühl im Herzen kennt. Wie aber soll einer Gärten anlegen, der geistig obdachlos ist und gar kein Haus mehr baut?
Dies sind keine netten Naturbetrachtungen. Hans von Trotha entwirft hier nicht weniger als einen klugen, beziehungsreichen Gesamtüberblick über die Geschichte der Malerei, Literatur, Musik und eben der Gartenkunst vor und während der Epoche der Romantik. Und der schließt Abgründe ausdrücklich mit ein. Verfolgte die Kultur, und mit ihr die Gartenkunst der Aufklärung noch das „Konsumieren des Erhabenen“ und den „angenehmen Schauer“, trat nun an deren Stelle die Empfindung „metaphysischer Angst“, der Angst vor dem Unendlichen.
Es scheint, als wollten sich die Romantiker ganz bewusst dem Unendlichen ohne den Schutz des Erhabenen aussetzen und dann sehen, was passiert. So betrachtet, ließe sich die Kunst der Romantik als groß angelegter, kollektiver Selbstversuch interpretieren.
Wenn man sich die Zeit nimmt, sich auf diese spannende Lehrstunde in Sachen Romantik einzulassen, dann entdeckt man augenöffnende Herleitungen und Zusammenhänge. Immer wieder wird Novalis zitiert, Jean Paul; vergleichende Blicke werden auf Kunstwerke von Caspar David Friedrich oder Claude Lorrain geworfen.
Künstlerinnen und Künstler begaben sich auf die Suche mach Möglichkeiten, die nicht darstellbare Unendlichkeit darzustellen, [...] Sie behalfen sich mit Bildern, Chiffren, Orten der Uneindeutigkeit, der Grenzenlosigkeit, der Unklarheit, des Übergangs [...]
Fast ist man dann ein bisschen enttäuscht, wenn sich herausstellt, dass es die geniale Entwicklung hin zum romantischen Garten schlechthin gar nicht gibt. Es erfolgt im 19. Jahrhundert vielmehr eine „Zersplitterung“ in zwei Arten der Gartengestaltung: 1. den weitläufigen Park, der wie eine dreidimensionale Gemäldegalerie begehbar ist, 2. den intimeren „Pleasure Ground“.
Wieder erweist sich der Garten als verlässlicher Spiegel seiner Zeit. [...] Die Spannung zwischen biedermeierlichem Gesellschaftsmodell auf der einen und romantischer Todes-und Dunkelheitsversessenheit auf der anderen Seite prägte das kulturelle Deutschland des 19. Jahrhunderts. Sie spiegelte sich in der Spannung zwischen Pleasure Ground und Park.
Und dann wird es irgendwie abgedreht.
Indem der Park über sich hinaus- und in die Landschaft hineinwuchs, hob das Modell des romantischen Gartens [...] das Prinzip Garten auf.
Der Garten der Romantik macht sich also sozusagen selbst überflüssig ...
Wer sich ein wenig mit der Malerei, Musik oder Literatur des 19. Jahrhunderts beschäftigt hat, wird diese grandiose philosophische Abhandlung über diese außergewöhnliche Epoche möglicherweise gern lesen. Ich jedenfalls, wenn ich das nächste Mal wieder in Potsdam zu Besuch bin, werde wohl den Park von Sans-Souci mit völlig anderen Augen durchstreifen.