„Steh auf und suche das ewige Leben!“ Dazu wird Gilgamesch, der König von Uruk, von jener unsichtbaren Stimme aus gleißendem Licht heraus in seinen „Traumgesichten“, seinen Träumen also, geraten. Das ist die Sprache, mit welcher der Autor Harald Braem seine Leser*innen mitnimmt ins ferne Sumer im südlichen Mesopotamien, der frühesten menschlichen Hochkultur. Hier lebte vor rund 4.500(!) Jahren der mythisch-legendäre Held, der die Metropole Uruk mit einer riesigen Mauer umgab und gemeinsam mit seinem Freund Enkidu, dem Giganten aus der Steppe, die unglaublichsten, übermenschlichen Abenteuer besteht. Der Roman erzählt das Epos von Gilgamesch, das als ältestes literarisches Werk der Menschheit gilt, nach. Einfühlsam bringt uns die Erzählung – soweit das überhaupt möglich ist - die Weltsicht und Befindlichkeit der alten Sumerer nahe. Und sie füllt virtuos die Textlücken der etwa dreitausend Jahre alten Steintafeln und Bruchstücke davon, die leider noch rund 30 Prozent des Gesamten ausmachen. Nachdem Enkidu starb und von seinem Freund Gilgamesch über das Maß betrauert wird, macht sich der Held auf eine waghalsige Suche: der Suche nach dem ewigen Leben nämlich, was die Menschen bis heute aufs äußerste bewegt! Wird er Tilmun, die Insel der Seligen, finden? Wird er Ziusudra, den wir als Noah aus der Bibel kennen, begegnen, der gemeinsam mit seiner Frau Unsterblichkeit erreichte? Die Suche nach dem „Kraut des ewigen Lebens“ stellt den nach Leben dürstenden, todesmutigen Gilgamesch vor weitere, kaum lösbare Aufgaben…
Wie in dem alten Epos auch, bleibt Gilgamesch, „der Löwe von Uruk“, irgendwie unnahbar und in seinem Charakter vage beschrieben. Der Text verläuft bisweilen ausschweifend, sodass der ungeduldige Leser vielleicht die eine oder andere Passage überliest. Dennoch handelt es sich um einen außergewöhnlichen, faszinierenden Roman. Was unterm Strich zu fünf Sternen führt, die ich dem historischen Roman gerne gebe.