Harald Bretschneider

 4,5 Sterne bei 11 Bewertungen

Lebenslauf

Harald Bretschneider, Oberkirchenrat i.R. der sächsischen Kirche (Dresden), Urheber der bekannten Grafik "Schwerter zu Pflugscharen" und Akteur der Friedlichen Revolution.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Harald Bretschneider

Cover des Buches Das Wunder der Freiheit und Einheit (ISBN: 9783775159562)

Das Wunder der Freiheit und Einheit

 (11)
Erschienen am 10.12.2019

Neue Rezensionen zu Harald Bretschneider

Cover des Buches Das Wunder der Freiheit und Einheit (ISBN: 9783775159562)
Arbutuss avatar

Rezension zu "Das Wunder der Freiheit und Einheit" von Harald Bretschneider

Gebet ist wirksam
Arbutusvor 4 Jahren

Nein, niemals sollten wir es vergessen, dass von deutschem Boden ein furchtbarer Krieg sowie ein abscheulicher Genozid ausgingen. Aber da gibt es noch etwas. Niemals sollten wir vergessen, dass von deutschem Boden auch eine friedliche Revolution ausging. Und so wichtig es auch ist, sich daran zu erinnern, dass am 9. November in Deutschland die Synagogen brannten (und nie wieder darf es soweit kommen), so wichtig ist es auch, sich daran zu erinnern, dass am 9. November in Deutschland die Mauer fiel.

Dieses Buch ermöglicht es jedem und jeder, eine kleine innere Pilgerreise entlang der Stationen der Friedlichen Revolution von 1989 zu machen.

Und es hält, was es verspricht. Wenn es auch, wie bei jeder vernünftigen Pilgerreise, mühsame Passagen gibt. Dabei ist eigentlich die Struktur gut angelegt. Für jeden Tag vom 3. Oktober bis zum 9. November 1989 gibt es ein Kapitel, das immer eine Schilderung wichtiger Ereignisse an diesem Tag wiedergibt, überschrieben mit einer thematischen Überschrift und einer passenden Bibelstelle, dann je einen Abschnitt "Zeitzeugnis" und "Hintergrund". Gerade die Zeitzeugnisse sind aber nicht immer klar datiert, fassen oft individuell wieder einen größeren Zeitraum zusammen, springen von einer Zeitebene in die andere, so dass die Abfolge chronologisch etwas zerfasert. Zudem sind unter "Zeitzeugnis" meist Statements besonderer Persönlichkeiten abgedruckt, die einerseits zwar wirklich interessant sind, aber eben nicht immer das, was man sich unter dieser Überschrift vorgestellt hatte.

Aber dann ist es einfach nur wunderbar. Es ist ein Buch über den Glauben, der Berge versetzen kann, über die überragende Rolle der Kirchen, ohne die es diese unblutige Revolution nicht hätte geben können. Viele der Stellungnahmen sind Glaubenszeugnisse von Menschen, die überzeugt sind, dass hier Gott seine Finger erheblich im Spiel hatte.

Mit staunender Bewunderung lese ich, dass die DDR-Kirchen in den Achtziger Jahren begannen, den ihnen zugestandenen engen Freiraum zu nutzen, um "nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch" Oppositionszeitungen wie zum Beispiel die "Umweltblätter" herauszugeben und Bibliotheken mit eigentlich verbotenen Büchern zu eröffnen. Einiges hat mich sehr berührt, wie zum Beispiel der Abdruck des Liedes "Der Riss" von Jörg Swoboda, der inspirierende Bericht des Klavierfacharbeiters Frank-Michael Rommert, oder das kraftvolle Glaubenszeugnis eines ehemaligen Bausoldaten (als solche wurden Wehrdienstverweigerer interniert). Ausdrücklich weist das Buch darauf hin, dass der Zusammenfall des Tages der unbeabsichtigten Öffnung der Mauer mit dem Gedenktag an die einstige Reichsprogromnacht eine ganz starke Symbolik aufweist: "Ein Gnadengeschenk am Tag der größten Scham."

Und wir finden wegweisende Zitate wie dieses von Pastor Manfred Kern i.R., der einst in die DDR übergesiedelt war, um dort seine Aufgabe als Seelsorger auszufüllen, und am Tag seiner Ordination vom Mauerbau erfahren hatte (und der, wie ich finde, alle Autorität hat, einen Satz wie diesen zu formulieren):

Ich bin davon überzeugt, dass der Abbruch der Mauer bereits am Tage ihrer Errichtung begann, und zwar mit dem Durchbruch des Vertrauens zu unserem Herrn Jesus Christus, der bei uns bleibt alle Tage, dem wahrhaft gegeben ist alle Gewalt auch hinter allen Mauern der Welt.

Es ist an der Zeit, sich zu erinnern.


Cover des Buches Das Wunder der Freiheit und Einheit (ISBN: 9783775159562)
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Rezension zu "Das Wunder der Freiheit und Einheit" von Harald Bretschneider

Spannende Zeitzeug*innenberichte, ein wichtiges Buch.
SternchenBlauvor 5 Jahren

Diese Zeilen schreibe ich am 7. Oktober 2019. Heute hätte die DDR ihren 70. Jahrestag feiern können – wenn sie nicht zuvor untergegangen wäre, untergegangen wegen des Protests von vielen einzelnen, mutigen Menschen. Diese friedliche Wende schildert „Das Wunder der Freiheit und Einheit“ in Form von eindringlichen Zeitzeug*innenberichten aus dem kirchlichen Umfeld.

Teile einer Bewegung

Es ist ein Dilemma der Geschichtswissenschaft, dass sich Errungenschaften von Einzelpersonen leichter darstellen lassen und dadurch fast zwangsläufig die Bedeutung von Gruppen quasi unter den Tisch fallen. (Der Klassiker zum Emplotment in den Geschichtswissenschaften ist „Metahistory“ von Hayden White). „Das Wunder Freiheit und Einheit“ zeigt nun die Gesichter einer solchen Bewegung, die ihre Meinung „mit den Füßen“ auf den Straßen und Plätzen kund getan hat und so zu einem friedlichen Systemsturz führte. Zentral dafür sind die Montagsgebete in Leipzig gewesen, die bereits ab 1982 stattfanden.

Die beiden Herausgeber verfolgen die Geschehnisse in ihrem Buch tageweise vom 3. Oktober bis zum 9. November 1989. Im Vorwort raten sie, das Buch tageweise zu lesen, wie auch die Ereignisse im Herbst 1989 tageweise von statten gingen. Ich denke, das ist eine hervorragende Herangehensweise an dieses Buch, weil man als Leser*in darüber nochmal besser nachvollziehen kann, dass dieser Prozess nicht über Nacht geschehen ist. Und wie brenzlig die ganze Situation war, wie leicht sie hätte kippen und sich die Niederschlagung des Aufstands 1953 oder des Prager Frühlings vielleicht doch hätten wiederholen können. Die Hintergründe zuvor und die Auswirkungen nach diesen beschrieben Tage werden dabei immer wieder mitgeschildert.

Mit der Bibel als Basis

Jeder Tag wird mit einem Bibelspruch eingeleitet. Für Atheist*innen könnten die Bibelzitate möglicherweise befremdlich sein. Sie zeigen aber, wie sehr eine pazifistische und freiheitliche Haltung bereits in der jüdisch-christlichen Tradition des sogenannten Abendlandes verankert ist. Natürlich gab es auch Oppositionsbewegungen außerhalb der beiden Kirchen. Die Kirchen waren für die friedliche Wende 1989 aber unbestritten ein wichtiger Motor, und dieses Buch zeichnet auf eindringliche Weise diese Geschichten nach.

Die Historie ist auch im Fall der Wende nicht frei von Absurditäten: Die UdSSR entlehnte in den 1950ern das Bibelzitat „Schwerter zu Pflugscharen“ und die entsprechende Plastik schenkte Chruschtschow sogar der UNO in New York. Als diese 1980 von der evangelischen Kirche aufgegriffen (Autor Bretschneider war der Urheber) und auf 100.000 Stofflesezeichen gedruckt wurde, standen diese unter Stasi-Beobachtung.

Gender-Missverhältnis

Von den 57 Zeitzeugen-Autor*innen sind nur vier Frauen. Da hätte ich mir deutlich mehr Gender-Vielfalt gewünscht, erst recht, weil es in evangelischen Kirche Pastorinnen gibt. Zugegebenermaßen ist das Buch erstmals bereits vor zehn Jahren zum 20. Jahrestag digital erschienen (nun wurden Vor- und Nachwort ergänzt) und ich hoffe, dass die Herausgeber die Autor*innen-Auswahl heute anders gestalten würden. Ich habe lange überlegt, aber ich finde dieses Verhältnis so unausgewogen, dass ich dafür einen Stern abziehe – obwohl ich das Buch so wichtig finde. (Ein Abschnitt im Nachwort, der mir zu sehr auf Mann-Frau-Beziehungen gemünzt ist und die Verpflichtung Kinder zu kriegen, war dann noch das Zünglein an der Waage.)

Fazit

Anhand „Das Wunder der Freiheit und Einheit“ lässt sich hervorragend die Wende 1989 mit spannenden Zeitzeugen nachvollziehen. Allerdings finden sich darunter nur wenige Zeitzeuginnen, dafür ziehe ich bei dem tollen Buch einen Stern ab und ergebe 4 von 5 Sternen.

Cover des Buches Das Wunder der Freiheit und Einheit (ISBN: 9783775159562)
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Rezension zu "Das Wunder der Freiheit und Einheit" von Harald Bretschneider

Rückblick auf einige Tage im Oktober/November 1989 in der DDR
leniksvor 5 Jahren

Das Buch hat mich deshalb interessiert, da ich den Titel und auch den Untertitel gut finde. Diese Buch kam bereits als E-Book zum zwanzigjährigen Mauerfall -Jubiläum raus. Nun zum 30. als Hardcoverausgabe. Die Aufteilung in Zeitzeugnis und Hintergrund fand ich gut gewählt. Die Aufteilung ist nicht immer so, aber voran gestellt ist immer ein Vers aus der Bibel, da dieses Buch mit kirchlichen Hintergrund geschrieben ist. Auch nicht konfessionsgebundene Leser, ob West ob Ost, ob groß ob klein, sollten dieses Buch lesen. Es kommen Weggefährten der Wendezeit zu Wort. Ein wertvolles Buch wie ich finde. Das Buch umfasst 290 Seiten und bekommt von mir vier Sterne und eine Leseempfehlung.

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