„Die Geschichte droht in der Mediengesellschaft ohnehin zum Kaufhaus zu werden, aus dem sich jeder aussucht, was ihm gefällt.“ (Lutz Rathenow)
Geschichte kann man nachlesen, bunt bebildert, in Tabellen und Diagrammen übersichtlich dargestellt. Geschichte kann man auch multimedial und interaktiv konsumieren, anschaulich, spannend, durch Zeitzeugen emotional aufgepusht. Aber wie gehen wir mit Geschichte um, die wir selbst erlebt haben? Wir behalten sie in Form von Bildern in Erinnerung. Doch die tägliche über uns einströmende Flut optischer Reize lässt die alten Bilder immer farbloser und unschärfer erscheinen.
Und da kommen sie ins Spiel – Bücher gegen das Vergessen. Harald Hauswald und Lutz Rathenow haben mit „Gewendet. Vor und nach dem Mauerfall: Fotos und Texte aus dem Osten“ ein Buch herausgegeben, das sich deutlich von zahllosen Veröffentlichungen abhebt, die von der Ostalgie-Welle angespült wurden.
Hauswald, Kult-Fotograf aus Berlin, hat den Alltag vor und nach der Wende auf zahlreichen Fotos festgehalten. Rathenow, in Jena geborener Lyriker und Prosa-Autor, gibt mit seinen Texten Anregungen und Erläuterungen und stellt damit den Zusammenhang zwischen den vielen Details her, die die Bilder zeigen. Entstanden ist ein interessanter Foto-Text-Band, der Orte und Plätze vor und nach der Wende gegenüberstellt, aber auch die Befindlichkeiten der Menschen zur jeweiligen Zeit gut wiederspiegelt. Ein Buch, das Hand und Fuß hat, weil es den Alltag früher und heute weder erklärt noch verklärt und ohne schwarz-weiß zu malen das Leben nicht bunter darstellt, als es ist.
Rezension zu "Gewendet" von Harald Hauswald