Rezension zu "Höhenrausch" von Harald Jähner
Im Untertitel heißt das Buch "Das kurze Leben zwischen den Kriegen". Der erste Weltkrieg ist vorbei, ein zweiter so gar nicht in Sicht und mit dem Sieg der Demokratie kann es wirtschaftlich aufwärts gehen. Deutschland wird ein anderes Land, das eigentlich niemand für möglich gehalten hat. Das Tempo ist enorm und nimmt soviel Fahrt auf, dass die Wand, gegen die man steuert, nicht wahrgenommen wird, bevor die ganze Gesellschaft doch daran zerschellt.
Harald Jähner ist ein großartiges Geschichtsbuch gelungen, das nicht trocken, belehrend und langweilig daherkommt, sondern den Leser äußerst lebendig in eine wilde und auch großartige Zeit eintauchen lässt, in die 1920er Jahre. Und er erzählt davon, wie es dazukommen konnte, dass alles ein irgendwie plötzliches und so schreckliches Ende genommen hat und wie alle ihren Anteil daran hatten. Wer das Buch aufmerksam liest, wird immer wieder Parallelen entdecken zur heutigen Zeit, zu unserem gegenwärtigen Zustand von Staat, Demokratie und Gesellschaft. Ja, Geschichte wiederholt sich nicht, aber in ihren Grundzügen kann sie sich ähneln und Fehler können durchaus mehrmals begangen werden.
"Während die einen Yo-Yo spielten, empfanden die anderen Weltekel und Wut und malten sich eine Volksbefreiung aus, die Hermann dem Cherusker alle Ehre gemacht hätte." (S. 390)
"Um agitatorische Wucht war man auf der Rechten nicht verlegen. ... So konnte ausgerechnet der steinreiche Alfred Hugenberg der herrschenden Klasse den Kampf ansagen, der er doch wortführend selbst angehörte." (S. 390)
"Was es heißt, für sich selbst verantwortlich zu sein und sich mit den anderen in dem abstrakten Geflecht demokratischer Repräsentation ins Benehmen zu setzen, hatten die wenigsten begriffen, geschweige denn bejaht und emotional irgendwie erfahren. Vielen erschienen die Parteien als Quell allen Übels, als seien sie es, die die unterschiedlichen Interessenlagen erst angerichtet hätten." (S. 418)
"Bebend stand er" (Hitler) "hinter den Fenstern der Reichskanzlei. Vor ihm zog in schier unendlichen Reihen, exakt geordnet, sein Kapital vorbei: die Massen, ohne die er ein Nichts wäre. Hitler hatte die Demokratie verstanden und besiegt. Am nächsten Tag machte er sich an ihre Abschaffung" (S. 456)
Das Buch ist nicht nur ein großartiger und dabei unterhaltsamer Abriß einer Epoche sondern eben auch ein Lehrstück. Wer wissen will, um was es uns allen gehen sollte, wie schnell etwas aus dem Ruder laufen kann, wenn man sich nicht selbst einbringt, wer eben nicht glauben will, dass ein paar Spinner schon nichts ausrichten werde, findet viele Anhaltspunkte.
Für mich persönlich hoffe ich einfach nur: wir wissen das und haben doch daraus gelernt!