Liebe Harriet, vielen Dank für deine Zeit. Du hast nahezu 10 Jahre als Anwältin gearbeitet. Hattest du trotzdem immer den Wunsch in dir, Autorin zu werden?
Nein, zu dieser Zeit absolut nicht. Als Teenager habe ich schlechte Gedichte geschrieben und mein erster Abschluss war in Anglistik und ich habe immer sehr viel gelesen, aber dennoch habe ich nie ans Schreiben gedacht, bis ich in den späten Dreißigern war und aufgehört habe, als Anwältin tätig zu sein.
Die Protagonistin deines Debüt-Thrillers "Blood Orange" ist ebenfalls Anwältin. Inwiefern sind deine persönlichen Erfahrungen ins Buch eingeflossen?
Traurigerweise basieren die morgendlichen Kater nach einer langen Nacht auf meinen persönlichen Erfahrungen. Auch meine ersten Jahre als Anwältin, in denen ich quer durch das Land von Gericht zu Gericht reisen musste, sind eingeflossen. Der größte Unterschied ist wohl, dass ich meine Karriere aufgegeben habe, nachdem ich Kinder bekam, während meine Protagonistin, Alison, weiter gearbeitet hat und auch die Brotverdienerin der Familie ist. Ich wollte gerne mehr über die Problematiken herausfinden, die entstehen können, wenn man Mutterschaft mit einer derart fordernden Karriere verbindet.
Häusliche Gewalt, die immer wieder zu Femiziden führt, stellt ein riesiges Problem in Deutschland da und dennoch wird das Thema von den Medien und der Gesellschaft tot geschwiegen oder als "Familientragödie" abgetan. Wie ist die Situation in England?
Die Zahlen sind auch hier sehr schlimm. Im Durschnitt wird alle vier Tage eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht. Diese Morde werden nur selten als das dargestellt, was sie sind. Vor allem die Boulevardpresse sucht immer wieder die Schuld bei den Opfern und schreibt, dass eine Frau getötet wurde, weil sie untreu war oder den Mörder provoziert hat. Hoffentlich werden bald neue Gesetze erlassen, die das Thema ernsthaft in Angriff nehmen, aber es ist weiterhin wirklich ein großes gesellschaftliches Problem. Das ist auch der Grund, weshalb ich es in "Blood Orange" aufgegriffen habe.
Deine Geschichte entwickelt sich um zwei starke Frauenfiguren - Alison und Madeline. Was ist deine Botschaft an Frauen?
Das größte Problem von Alison ist, dass sie, egal was sie tut, denkt, dass sie nicht gut genug als Mutter ist. Dadurch fühlt sie sich immerzu schuldig. Die Schuldgefühle ertränkt sie wiederum in Alkohol, wodurch sie sich natürlich noch schlechter fühlt. Ich würde gerne ihr und Madeline und all uns Frauen, die versuchen, uns so gut es geht durch das Leben zu wursteln, sagen, dass wir aufhören müssen, uns schuldig zu fühlen. Dass wir aufhören müssen, zu versuchen perfekt zu sein und stattdessen zu akzeptieren, dass wir gut genug sind, so wie wir sind. Es ist viel zu leicht, Kritik von anderen als wahr anzunehmen, da wir so hart zu uns selbst sind, aber wir müssen lernen, uns weniger selbst zu verurteilen.
Welches Buch verschenkst du gerne?
Ich verschenke gerne die Pop-Up-Version von "Alice im Wunderland von Lewis Carroll an Kinder,
"Big Magic: Nimm dein Leben in die Hand und es wird dir gelingen" von Elizabeth Gilbert an Autor:innen und "Death and the Penguin" von Andrey Kurkov an alle anderen.
Wohin im Vereinigten Königreich sollten wir unbedingt reisen und welches Buch sollte uns begleiten?
Ich finde, jede:r sollte nach Edinburgh reisen und nicht nur ein sondern viele Bücher lesen: "Die Lehrerin" von Muriel Spark, "Trainspotting" von Irvine Welsh, "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" von Robert Louis Stevenson und alle "Rebus"-Bücher von Ian Rankin.
Wenn du zwischen deinen vergangenen Wohnorten wählen müsstest: Edinburgh, Oxford oder London?
Oxford ist eine wunderschöne Stadt, in London habe ich mein Zuhause gefunden und meine Familie gegründet und ich liebe es dort, aber Edinburgh wird immer der größte Teil meines Herzens gehören.
Ein Satz über "Blood Orange":
Es ist ein psychologischer Thriller über eine Rechtsanwältin, die gerade ihren ersten Mordprozess bestreitet, während ihr Privatleben auseinander fällt.
Ein Satz aus "Blood Orange":
"Jede Tat hat Konsequenzen."
Falls du schon an einem zweiten Buch schreibst, kannst du uns schon etwas verraten?
Es ist ein Buch über narzissistische Eltern und die Politik hinsichtlich des zur Schule bringens von Kindern...
Zu guter Letzt: Welchen Buchcharakter würdest du gerne treffen und was würdet ihr unternehmen?
Meine erste und ehrliche Antwort ist, dass ich gerne Hermione Granger aus Harry Potter treffen würden und von ihr ein paar Zaubertricks lernen, aber eine etwas erwachsenere Antwort ist, dass es spannend sein könnte, Jay Gatsby zu treffen und zu einer seiner legendären Parties zu gehen.