Rezension zu "Einstein, Gott und meine Brüder: Biografie eines verwirrten Daseins. Oder: Wie ein Hintern mir die Welt erklärte" von Harry Flatt-Heckert
Vergangenes Wochenende war ich mit meiner Schwester auf der 1. Rügener Buchmesse in Prora unterwegs. Dort trafen wir u. a. auf den Autor Harry Flatt-Heckert, der eine Lesung zu diesem Buch gab und erzählte, dass er seinen Debütroman zu schreiben begonnen hat, als eine unschöne Steuerprüfung ins Haus stand, zu der er überhaupt keine Lust hatte. Entstanden ist eine tragisch-humorvolle Biografie mit Lesesuchtfaktor, die auch im Beititel nicht zu viel verspricht und sich im Grunde genommen wie ein Roman liest (deshalb steht auch Roman drauf). Das Erstlingswerk wurde dann spontan gekauft und im Eiltempo weggeschmökert. Denn was der Autor/Protagonist dieses Buches in seinem bisherigen Leben als "Ich glaube nicht an Gott"-Pastor alles erlebt hat und an privaten Schicksalsschlägen einstecken musste, ist in "Einstein, Gott & meine Brüder" zugleich unterhaltsam wie mitreißend nachzulesen.
Im Roman geht es dann tatsächlich um Einstein, Gott und Harrys Brüder – und mit letzteren sind nicht nur die blutsverwandten Geschwister gemeint. Aber lest selbst!
Harry ist schon eine coole Socke und ein Rebell, wie man bereits in den ersten Kapiteln erfährt. Deshalb wird aus dem Möchtegernphilosophen in den 80er Jahren auch notgedrungen ein Theologiestudent, der es Gott und der Kirche zeigen will. Blöd nur, dass es das Schicksal nicht immer gut mit Harry meint und ihn gerne eines Besseren belehrt. So soll er der Kirche länger erhalten bleiben, als eigentlich geplant. Er wird Pastor. Nicht, weil er will, sondern weil er muss. Der Grund dafür ist ziemlich ungerecht, soll an dieser Stelle (Spoilergefahr) aber nicht verraten werden. Doch der Optimist macht dennoch das Beste aus jeder Situation und feiert das Leben stets mit Rotwein, Zigaretten, ausgelassenen Partys, guten Freunden, seinen Brüdern, Frauen und später seiner großen Liebe. Mal geht es bergauf. Mal tief bergab.
Und was hat das jetzt alles mit Einstein zu tun? Das zu erfahren ist durchaus ein Highlight des Romans und findet sich in dem Kapitel 'Ein Hintern namens Einstein und warum man Supernova auseinander schreibt'. Herrlich! Wer (wie Harry) die Relativitätstheorie bis dato nie kapiert hat, dürfte hier auf eine höchst lustige wie kreative Weise Erleuchtung finden. Aber Achtung, die Lachmuskeln werden stark beansprucht. Und genau das macht dieses Buch auch so besonders. Denn trotz der Schwere, die diese wahre Geschichte mich sich trägt (von Krebserkrankung, Schlaganfall bis hin zu Demenz sind einige Hiobsbotschaften in der Familie vertreten), bleibt der Humor nicht aus. Man merkt, dass der Autor ordentlich Spaß beim Schreiben hatte. Manche Momente werden durchaus überspitzt dargestellt, bringen aber eine erfrischende Leichtigkeit/Selbstironie mit sich. Das spiegelt sich auch in dem einfachen, lockeren wie bildreichen Schreibstil wieder. Etwa, wenn Harrys verzweifelte Situation (aufgrund von Liebeskummer) mit einem benutzten Geschirrhandtuch vergleichen wird oder der schwarze Rollkragenpullover zum Einsatz kommt. Am Ende ist es höchst bewundernswert mit welch optimistischer und versöhnlicher Einstellung Harry dem Leben weiterhin gegenübersteht. Chapeau!
P. S. Die etwas eigenwillig eingebauten Kommentarfunktionen des Verfassers könnten für manchen Leser ebenso gewöhnungsbedürftig sein wie die ständigen "Wenn Sie dieses Buch nicht schon längst zur Seite gelegt haben…"-Anmerkungen, aber kreativ und witzig sind sie irgendwie schon. Oder?
Kurz gesagt:
Witzig, traurig und & ein Pageturner. Dieser biografische Roman ist nicht nur irrwitzig gut geschrieben, sondern auch eine Erleuchtung in Sachen Gott, Einstein & Harrys außergewöhnlichen Brüdern.