Rezension zu "Gestern abend im Café" von Hartmut Binder
Als ich zum ersten Mal die Ankündigung las, freute ich mich sehr. Und nun ist er da: Der neue prächtiger Bild- und Textband „Gestern abend im Café“, indem der renommierte Kafka-Forscher Harmut Binder die versunkene Kaffeehaus- und Nachtlokal-Welt Prags wiederauferstehen lässt. Wie auch schon in seinen anderen Werken hat der Autor akribisch recherchiert und beleuchtet für uns mit vielen Details den Anfang des 20. Jahrhunderts.
Von den Anfängen im 17. Jahrhundert, wo das adlige Bürgertum Prags sich noch den Kaffee zuhause, aber sehr stilvoll von einem Kaffeesieder servieren ließ, über die besonderen Lokalitäten, die die tschechische Kulturstadt ausmachen, bis in die Prager Umgebung. Die licht- und lufthungrigen Prager dinierten auch im Freien, auf prunkvollen Balkonen, in Gehsteig-Gärtchen inmitten des Trubels oder am Wochenende unter hohen Kastanien in herrlichen Biergärten der Vorstädte.
Das Buch bietet eine Fülle an Inspiration, Nostalgie, Kuriositäten, verbunden mit historischen Ereignissen, immer in Bezug zum Umfeld des großes Prager Dichters Franz Kafka. Es ist gespickt mit einmaligen Anekdoten und Besonderheiten wie sie nur Prag und die Welt der Kaffeehäuser bieten konnte.
So erfahren wir beispielsweise, was die Kellner verdienten und was den Oberkellner auszeichnete, gespiegelt durch Zitate von zeitgenössischen Dichtern. Wir erleben Gastspiele, mit Auftritten von Ausdruckstänzer:innen, Chansonieren, Varieté-Künstler:innen und Kabarettist:innen. Wir sitzen in der ersten Reihe beim Tingeltangel, staunen über die Kunststücke oder lauschen einer Soubrette und Jodlerin.
Illustriert durch eindrucksvolle Bilddokumente, Stadtviertelpläne, Zeitungsannoncen aus der Zeit. Über Kafka hinaus, werden hier viele andere Künstler vorgestellt, die es wiederzuentdecken gilt.
Eine magische Zeitreise zum Eintauchen und Schwelgen, für historisch und literaturinteressierte Leser:innen. Also am besten gleich eine große Tasse erlesenen Kaffee bereitstellen und dieses wunderbare Werk aufblättern und genießen.