Umfassende biographische Würdigung vor allem des Politikers
Wie Helmut Schmidt in der persönlichen und politischen Prägung wurde, was und wie er wurde. Was bereits am Kind Helmut Schmidt abzulesen war, was die Kriegsjahre (über die Schmidt selbst weitgehend schweigt) zumindest zu erahnen hinzutaten und in welcher Form der „große Pragmatiker“ seine ersten politischen Schritte (und große Bewährungsproben bei der großen Flut in Hamburg) in bis heute bekannter Manier absolvierte, das alles ist Teil des ersten Bandes der umfassenden Biographie Helmut Schmidts durch Hartmut Soell.
Sowohl die persönlichen Härten der Prägung durch den strengen Vater, der innere Abstand zum nationalsozialistischen Regime, als auch die persönlichen Erfahrungen als Offizier im Krieg lassen früh erkennen, dass hier einer entsteht, der späterhin Verantwortung nicht scheut und bereits kurz nach dem Krieg und Ende des Studiums politisch tätig wird und bald bereits ein Mandat im Bundestag der jungen Republik inne hat.
„Vernunft und Leidenschaft“ betitelt Soell die Entwicklung der Jahre von 1918 bis 1969. Eine gut gewählte Zäsur, ab der Schmidt dann bundespolitisch immer stärker in die Verantwortung trat, als gefestigter, überlegter, teils durchaus auch „eisenhart“ politisch handelnder Mensch. Was im Übrigen Soell selbst durchaus aus erster Hand miterlebte, der zu jener Zeit Teil des politischen Betriebes selbst war. Was man der Biographie durchaus abspürt, denn nicht nur die Person Helmut Schmidt ist Schwerpunkt der Darstellung, sondern an und durch die Person hindurch (wie könnte es bei Schmidt anders sein), auch die gesamte, bewegte politische Zeitgeschichte, die Schmidt maßgeblich mit gestaltet hat (und die Soell aus „erster Reihe“ über einige Jahre hin mit verfolgte). Inklusive aller sich bereits andeutender Spannung auch innerhalb der eigenen politischen Reihen
Zeigt der erste Band das „Herannahen“ Schmidts an höchste Verantwortung bereits auf und schildert das Bild eines hervorragenden Organisators, der „klare Kante“ zeigt und Widerstände durchaus späterhin auch massiv überwindet, einer, der „Leidenschaft“ für sich trägt, diese aber mit „Augenmaß und Verantwortung“ bändigt, stellt Soell die dann hoch verantwortlichen, als Kanzler gestaltenden Jahre einerseits in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, führt dann aber intensiv auch die Entwicklung des „Ex-Kanzlers“ hin zum fast deutschen Gewissen, zum Elder Statesmen und zum angesehen Publizisten und Gesprächspartner weltweit aus. Mitsamt natürlich auch breiter Einblick in Leben und Entwicklung des privaten Helmut Schmidt, der unter der öffentlichen Wahrnehmung über Jahrzehnte hinweg kaum wirklich im Blickpunkt der vielfachen Äußerungen von und über Helmut Schmidt stand.
Die zunehmenden Richtungsspannungen innerhalb er SPD, die sich zuspitzenden ökonomischen Probleme weltweit, der „deutsche Herbst“, der Verlust der Macht durch „Verrat“ an den als persönlich weit unterlegen von Schmidt eingeschätzten Helmut Kohl, spannend und äußerst kenntnisreich fesselt Soell den Leser mit seinen fundierten Schilderungen, die durchaus auch kritische Distanz zeigen und bei weitem nicht als einfache „Lobhudelei“ Schmidts daherkommen. Und hinterlässt dennoch einen klaren den Eindruck von einem, der in mannigfaltigen verantwortlichen Ämtern sich nicht verbiegen ließ, nicht im Getriebe der Politik aufgerieben wurde, sondern diesem Getriebe oft und oft auch barsch seinen Willen aufnötigte, Woran u.U. seine Kanzlerschaft maßgeblich mit scheiterte, auf jeden Fall aber sein Verhältnis zur eigenen Partei sich festmachen lässt.
Hartmut Soells Biographie trägt alle Elemente in sich, die eine gelungene Biographie ausmachen. Sachkenntnis, Detailreichtum, Einbindung in die großen Linien der Weltgeschichte, intensive Darstellung der Wirkgeschichte Schmidts im Kleinen und im Großen, sowie durchaus (aber doch eher am Rande) Einblick hinter die Kulissen hinein ins private Leben Helmut Schmidts. Eine sehr zu empfehlende Lektüre für all jene, die gebündelt und gesammelt in großer Breite sich der Person und dem Politiker Helmut Schmidt (noch einmal) annähern möchten.