Cover des Buches Der halbe Mond (ISBN: 9783784433776)
Rezension zu Der halbe Mond von Hasan Cobanli & Stephan Reichenberger

Die Familie Cobanli - türkisch deutsche Geschichte des 20. Jhr

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Kurzmeinung: die Geschichte der Familie des Feridun Cobanli ... der Bogen über die deutsch-türkische Geschichte des 20. Jhr. sehr persönlich & emotional

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren

„Der halbe Mond erzählt eine große, authentische Familiengeschichte aus der Welt türkischer und deutscher Aristokraten. Hasan Cobanli und Stephan Reichenberger schlagen den Bogen über drei Generationen hinweg von der Dardanellenschlacht 1915 bis zu den Gezi-Park-Demonstrationen 2013“ besagt der kurze Text auf dem Buchrücken.

Erzählt wird uns die Geschichte der Familie des Feridun Cobanli, der mit 10 Jahren nach Deutschland kam um „an der berühmtesten Kriegsschule der Welt zum Offizier geschliffen“ zu werden, während sein Vater Cevat Pasa (Weggefährte Atatürks) dabei war zum Dardanellen-Helden zu werden. Feridun hat kein sehr enges Verhältnis zu seinem Vater, was sich auch im Laufe seines Lebens nicht ändern wird. Er schlägt auch nicht den Weg zum Soldaten ein, sondern wird nach seinen ersten Erfahrungen aus der Schlacht lieber Diplomat. Charme hat er, er sieht gut aus und kann gut mit Menschen, am besten mit Frauen, so zumindest zeigen es die vielen angedeuteten Affären. Feridun heiratet zweimal, einmal wird die Ehe mit Selma, Tochter des türkischen Botschafters, arrangiert, das zweite mal aus Liebe Benita, die Tochter seiner deutschen „Zieh-Eltern“ den von Roons. Zu Basri seinem Sohn aus erster Ehe hat er gar keinen Kontakt und auch zu Hasan aus seiner Ehe mit Benita hat er keine wirkliche Beziehung. Der Familiensitz in Istanbul ist zwar Feriduns Heim, aber wirklich zuhause ist er überall und nirgends.

Ich habe das Buch Der halbe Mond sehr gern gelesen, von Seite eins an habe ich mich gefragt wie schwierig es sein muss ein Buch über die eigene Familie zu schreiben, in dem man auch selbst vorkommt, auch wenn es ein Roman ist und man selbst "nur" Co-Autor ist. Mir ist bis zum Ende nicht klar, wie viel von der Geschichte wirklich so passiert ist, auch wenn das ein Produkt meiner eigenen Neugier ist. Es wird für Hasan Cobanli, Feriduns Sohn, sehr spannend gewesen sein, mit seinem Freund Stephan Reichenberger, die Geschichte seiner Familie aufzuarbeiten. Man merkt das, weil sie mit viel Liebe zum Detail, sehr humorvoll, aber auch schmerzlich, mit vielen persönlichen Anekdoten erzählt wird. Begegnungen mit „berühmten“ und historischen Persönlichkeiten, werden immer wieder eingeflochten. Sprachlich ist der Roman anspruchsvoll, lange verschachtelte Sätze, sehr bildhaft, fast schon ein wenig opulent. Mir war es bei Briefen oder wenn es romantisch wurde etwas zu kitschig und blumig. Aber das ist Geschmackssache. Was für mich interessant war, ab der Beziehung zu Benita, hat sich aus meiner Sicht die Erzählweise etwas verändert… der Schwerpunkt ist von Feridun weg zu Benita und Hasan übergeschwenkt. Es wurde um einiges persönlicher, emotionaler, was mich nicht gestört hat, mir aber aufgefallen ist. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, aber es gibt ein paar wenige Einschübe aus den 90er Jahren als Hasan nach Istanbul reist. Die hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht, bzw hätte man sie intensiver nutzen können um rückblickend mehr erzählen zu können. Ich persönlich fand es sehr schade, dass man nicht mehr über Feriduns Beruf als Diplomaten erfahren hat. Auch das Thema Geschichte, das gerade am Anfang mit der Dardanellenschlacht sehr ausführlich behandelt wird, ebbt später fast völlig ab. Der armenische Genozid wird nur kurz angeschnitten, der Zweite Weltkrieg wird kaum erwähnt und nur im letzten Kapitel wird noch einmal kurz Bezug genommen auf die türkische Geschichte und Politik der Gegenwart. Aber vielleicht hätte es den Rahmen gesprengt. Was für mich noch ein wichtiger Aspekt ist, man kann zwar zwischen den Zeilen einiges ablesen, aber man wird nicht Teil einer Abrechnung mit der Familiengeschichte. Was mich sehr beeindruckt hat.

Alles in Allem habe ich das Buch sehr gern gelesen und kann es jedem empfehlen, der eine sprachlich anspruchsvolle aber doch sehr persönliche emotionale Familiengeschichte mit Hintergrund der deutsch-türkischen Geschichte lesen möchte.



* Rezensionsexemplar über Lovelybooks / Verlag


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