Heather Christles Buch ist ein Buch, das eine gewisse Zeit braucht um seine Wirkung zu entfalten. Das fängt schon beim Cover an. Als ich das Buch das erste Mal auf der Instagram-Seite des Verlags sah, bestand das Cover für mich aus dem Titel, der Autorin und irgendeiner abstrakten Watercolour Malerei. Auch als ich es dann Zuhause hatte, ging es mir lange Zeit so. Vor ein paar Tagen dann fiel mein Blick durch Zufall aus einer ca. 2m langen Distanz auf dieses Buch und plötzlich fiel es mir wie Schuppen vor den Augen: diese vermeintlich abstrakte Malerei stellt ein menschliches Auge mit einer Träne im inneren Augenwinkel dar. Dadurch zeigte sich mir mal wieder: manche Dinge müssen erst mit einer gewissen Distanz betrachtet werden um einen Sinn darin erkennen zu können. Doch es bleibt nicht beim Cover: ich muss zugeben, dass mir der Einstieg in das Buch ein bisschen schwer fiel. Zu ungewohnt war die Art und Weise des Buches, für das mir immer noch kein passendes Genre eingefallen ist. Es handelt sich bei Weinen nicht um einen durchgehenden, zusammenhängenden Text. Vielmehr ist es genau das, was auf dem Klappentext steht: ein Mosaik. Die Textabschnitte, die auf den ersten Blick völlig willkürlich ausgewählt und ohne Zusammenhang zu sein scheinen, ergeben dann am Ende doch ein großes, stimmiges Bild. Wenn man es aus einer gewissen Distanz betrachtet. Heather Christle beschreibt in ihren Textschnipseln Momente, in denen sie selbst geweint hat; Studien, die sie zu dem Thema menschliches Weinen gelesen hat; literarische Texte und persönliche Nachrichten, die sie gelesen hat und mit dem Thema Weinen verbindet und immer wieder ihre mal mehr und mal weniger abstrakten Gedanken zu diesem Themenkomplex. Und doch ergibt sich aus diesem Sammelsurium an Textabschnitten am Ende ein Bild, das so vollständig ist, wie es zu so einem komplexen Thema zurzeit möglich ist.
Fazit
Cover und Titel: 5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Aufbau und Struktur: 3 Sterne
Gesamtwertung: 4 Sterne