Cover des Buches Schuldhaft (ISBN: 9783218008433)
Rezension zu Schuldhaft von Heidi Kastner

Rezension zu "Schuldhaft" von Heidi Kastner

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 11 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 11 Jahren
„[Ich bin] einfach ein sehr neugieriger Mensch. Mich faszinieren Menschen. Ich finde es gibt nichts Spannenderes als andere Menschen und mich hat es schon immer fasziniert rauszufinden warum macht er das gerade jetzt eben so wie er es macht. Und natürlich ist es in dem Bereich möglich, in Bereiche vorzudringen, in die man sonst kaum Einblicke bekommt.“ (Heidi Kastner in einem Ö3-Interview) . Eben jene Einblicke in Täter, die unterschiedlicher nicht sein könnten, gibt uns die forensische Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Heidi Kastner in ihrem Buch "Schuldhaft". Neben psychisch kranken Tätern wie einem Schizophrenen und einem Wahnhaften, tauchen auch weitestgehend "normale" Menschen auf, die beispielsweise neurotische, narzisstische oder hysterische Züge aufweisen und unter diesen oder anderen Umständen ein Verbrechen begehen. . „Ich habe mich in dem Buch bemüht, eben Fälle zu nehmen, die jetzt nicht zu plakativ und offensichtlich von vornherein das große Problem waren. Und das war dann zum Teil spannend, weil immer wieder jemand zu mir gesagt hat: Ich war so erschrocken, weil da hab ich mich ja wiedererkannt.“ (Heidi Kastner in einem Ö3-Interview) . Insgesamt werden 10 Taten in jeweils zwei Abschnitten geschildert. Zu Beginn jedes Kapitels berichtet die Autorin vom Tathergang sowie von hierfür relevanten Situationen und Zuständen aus dem Leben des Täters. Anschließend werden zum jeweiligen Krankheits- oder Persönlichkeitsbild weitreichende wissenschaftliche und geschichtliche Informationen wie Symptome, Hintergründe, Entwicklungen, soziale Aspekte oder Versuche gegeben. Interessant ist, dass diese Informationen nicht direkt auf den Täter angewandt, sondern vielmehr allgemein behandelt werden. Es wird also nicht klar gesagt, dass Symptom A und B bei Fall C zur Tat geführt hätten, sondern dem Leser wird die Möglichkeit gegeben, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen, selbst zu überlegen, welche Verhaltensmuster im Menschen zu erkennen sind und welche Bedingungen vorhanden zu sein scheinen, die zur Tat geführt haben könnten. Auch die geschichtlichen Hintergründe wie beispielsweise die Entwicklungen in der Gesellschaft, Wortherkünfte und die passenden Verweise, unter anderem auf den Massenselbstmord in Jonestown, Napoleon sowie den Massenmord in Utøya, wecken Interesse, regen dazu an, sich weiter zu informieren, Verbindungen und Muster zu erkennen und so auch über den Buchrand hinaus zu denken. . Oftmals weisen die geschilderten Fälle sowie auch der theoretische Teil Aspekte auf, die überraschend sind. So erfährt man in "Schuldhaft" unter anderem, wie ein Mensch, der die schrecklichen Bilder seiner Tat nicht vergessen kann, sich selbst als Opfer sehen kann, wie Wahnkranke ihre weitreichenden Theorien eigentlich nur dadurch entwickeln können, dass sie sich selbst derart viel Bedeutung zumessen, sich also in den Mittelpunkt (ihrer) Welt rücken oder was die unbefriedigt umherwandernde Gebärmutter mit der Hysterie zu tun hat. . Sprachlich schlägt das Werk einen guten Mittelweg zwischen Fach- und Standartsprache ein, sodass Informationen fundiert erklärt, aber auch von Menschen verstanden werden können, die sich bisher noch nicht mit derartigen Themen beschäftigt haben. . Ich persönlich hätte mir zu den Fällen auch Angaben zum jeweiligen Urteil gewünscht, da ich mir bei manchen Verbrechen, speziell hinsichtlich der unterschiedlichen Störungen, das Strafmaß selbst nicht ausmalen konnte. Darüber hinaus wären stellenweise direkte Einblicke in die Sichtweisen der Täter in Form von Zitaten bereichernd gewesen. So wird in einem Kapitel zwar geschrieben, dass er seine Gründe darlegte, diese werden aber nicht wiedergegeben. . "Schuldhaft" ist sehr lesenswert für jeden, der ungewohnte Einblicke in das spannende Gebiet der Verbrechensklärung erlangen möchte und hierbei statt an möglichst blutrünstigen Geschichten vielmehr an den dahinterliegenden psychologischen Aspekten interessiert ist, denen in den heutigen Nachrichten aufgrund der verblendeten Fixierung auf möglichst skandalöse, emotionale, vorwurfsvolle Berichtserstattungen leider oftmals zu wenig Beachtung geschenkt wird.
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