Rezension zu "Menschwerdung eines Affen" von Heike Behrend
„»Affe« nannten mich die Bewohner der Tugenberge im Nordwesten Kenias, als ich 1978 zu ihnen kam. »Affe«, »Närrin« oder »Clown«, »Hexe«, »Spionin«, »satanischer Geist« und »Kannibale« waren Namen, die mir auch auf späteren Forschungen in Ostafrika gegeben wurden“.(S.11)
In ihrer Auto-und persönlichen Berufsbiografie „Menschwerdung eines Affen“ gewährt die emeritierte Ethnologin Heike Behrend äußerst spannende Einblicke in ihre ethnologischen Feldforschungen in Ostafrika und damit verbundene Rückschläge, interkulturelle Missverständnisse und Konflikte sowie das persönlich empfundene Scheitern: 1978-1985 muss sie in den kenianischen Tugenbergen selbst die Entwicklung über einen „Affen“ zum Menschen durchlaufen, um als einigermaßen sozial vollwertige Person anerkannt zu werden. Im Fokus ihrer Forschungen 1987-1995 im Norden Ugandas steht die radikale Holy Spirit-Bewegung, 1996-2005 widmet sie sich während der Aids-Epidemie der katholischen Kirche im Westen Ugandas und der Figur des Kannibalen. Zuletzt berichtet sie über fotografische Praktiken an der kenianischen Küste (1993-2011).
Allein die Darstellung dieser ethnologischen Forschungsthemen ist äußerst spannend; mögen die Schilderungen auf eine „westliche“ Leserschaft auch vereinzelt etwas befremdlich wirken, die Grenzen wissenschaftlicher Rationalität überschreiten und verdeutlichen, wie schwierig die Einnahme kulturrelativistischer Positionen ist oder sein kann. Spannend ist auch, dass Behrend einen Perspektivenwechsel vornimmt, sich selbst zum Objekt der von ihr erforschten Subjekte (den Ethnografierten) macht und deren Wahrnehmung von ihr als Forschende in den Fokus rückt. Ein äußerst ehrliches, authentisches, oft amüsantes und sehr selbstkritisches Buch, in dem auch die nicht konfliktfreie Geschichte der Ethnologie als ehemalige konnotierte „Kolonialwissenschaft“ und damit einhergehende Hegemonien kritisch reflektiert werden.
Sicherlich setzt Behrend im ersten Teil ihres Buches durch die Nennung verschiedener Ethnolog*innen und Theorien etwas zu viel fachliches Vorwissen voraus - hier war ich als studierte Ethnologin und Afrikanistin mit Feldforschungserfahrungen sicherlich im „Heimvorteil“. Dennoch kann ich das Weiterlesen (oder alternativ Überspringen der etwa ersten 30 Seiten) auch einem fachfremden Publikum wirklich nur ans Herz legen.
Aus meiner Sicht ein wunderbares Buch, welches berechtigt mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2021 in der Kategorie „Sachbuch/Essayistik“ ausgezeichnet wurde.