Cover des Buches Blauwasserleben (ISBN: 9783890294209)
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Rezension zu Blauwasserleben von Heike Dorsch

"In der Welt, in der er lebte, war alles harmonisch."

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Das schreibt die Autorin über ihren auf der Südseeinsel Nuku Hiva unter unaufklärbaren Umständen ermordeten Lebenspartner Stefan. Er hätte kein Fingerspitzengefühl dafür gehabt, Gefahren frühzeitig zu erkennen, liest man einen Satz früher (S. 226).

Das Schicksal ihres Lebenspartners und das jähe Ende einer schon fast vier Jahre dauernden Weltumseglung schafften es auch in Deutschlands Abendnachrichten und in andere Fernsehformate. Man weiß nur soviel: Stefan ging auf Nuku Hiva mit einem ihm kaum bekannten Einheimischen auf die Ziegenjagd in eine ihm nicht vertraute Gegend. Eine Waffe besaß er dabei nicht. Da der Mörder Stefans Leiche fast restlos verbrannte, können die Umstände dieser Tat nicht mehr rekonstruiert werden. Es gab keine Zeugen.

Nun würde man dieses Buch wahrscheinlich kaum beachten, wenn es diese schreckliche Tat nicht gegeben hätte. Was man nämlich darüber hinaus zu lesen bekommt, erscheint nur im Zusammenhang mit dem späteren Schicksal Stefans von einigem Interesse. Beschrieben werden die Motive und die Umstände einer nicht vollendeten Weltumseglung aus dem Mittelmeer über die Kanaren und die Kapverdischen Inseln bis nach Venezuela, weiter über Kuba, durch den Panama-Kanal bis nach Nuku Hiva.

Vielleicht erinnert der Text den einen oder anderen Segler wieder an das faszinierende Gefühl, auf dem Meer zu sein. Doch man merkt schnell, dass die Autorin keine leidenschaftliche Seglerin ist. Sie beschreibt lieber Leute, die die beiden in den verschiedenen Marinas oder an anderen Liegeplätzen getroffen haben. Und wenn doch einmal das Lebensgefühl auf dem Meer oder Erlebnisse an interessanten Plätzen (wie beispielsweise auf Kuba) in den Vordergrund rücken, dann bleiben die Erzählungen farblos und dünn.

Das kann man natürlich gut verstehen, denn möglicherweise dient dieses Buch für die Autorin auch dazu, ihrem Lebenspartner ein Denkmal zu bauen, das Schreckliche zu verarbeiten und einen gewissen Abschluss zu finden. Allerdings setzen sie sich dabei auch einer kritischen Bewertung aus. Nicht jeder wird verstehen, wie man sich zu einem dauerhaften Leben auf den Weltmeeren entschließen kann, auf denen es keine Absicherung, kein Denken an die Rente oder an eine frühere Zukunft gibt.

Selbst bei dem Wenigen, was man über das tatsächliche Segeln in diesem Buch liest, spürt man schon einen gewissen naiven Optimismus, gelegentlich auch hart an der Grenze zur Dummheit. Wenn man kein Gefühl für Gefahren besitzt, wie das hier offensichtlich der Fall war, macht man es dem Schicksal etwas zu leicht. Das jedenfalls habe ich wieder einmal beim Lesen dieses Buches erfahren.
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