Tanja erscheint zunächst als einfacher Zeitzeugenbericht der Jahre zwischen 1988 und 1996 und liest sich wie ein Reisebericht. Das Schwergewicht liegt darauf die Erlebnisse von Hauptfigur Manfred Heckler, meist nur Heckler betitelt, komplett wiederzugeben. Der Leser bekommt so viele Informationen, die für den Plot, der sich erst allmählich zeigt, nicht von Interesse sind, etwa wie diverse Reisen und Restaurantbesuche. Häufige Wiederholungen sind gelegentlich hilfreich, meistens aber zu viel und zwei exakt wortgleiche Abschnitte lassen das Lektorat schlecht dastehen. Diese machen das Buch lang und gelegentlich zäh, wobei gesagt sein muss, dass es eine gewisse Länge braucht, um die Unterschwelligkeit der Geschichte zur Wirkung zu bringen. Heckler ist gerade dabei Karriere in einer grossen Firma zu machen, als er zum strategischen Spielball zweier grosser, rivalisierender Parteien wird. Von verschiedenen meist jungen Frauen, aber allen voran von Tanja soll er manipuliert werden, um mit gewissen Aktionen den Wahlkampf zu beeinflussen. Persönlich dünkt mich die erotische, aber unbedachte Art der Manipulationsversuche unnatürlich, ob dies vom Autor beabsichtigt ist oder nicht, konnte ich für mich nicht klären. Da Heckler die unterschwelligen Andeutungen seiner Mitarbeiter/innen aber immer erst hinterher begreift, kann er nicht reagieren. Er will aber auch nicht als Lakai der Parteien arbeiten, was ihn vermutlich seine Karriere kostete, und versucht sich aus den Griffen politischer Machthaber zu lösen, was ihm aber erst durch seine Pension gelingt. Die Erkenntnisse, die der besonnene, technisch-logisch denkende Heckler in seinem rein taktischen Papierkampf gewinnt, machen aus dem Lebensbericht ein philosophisches Werk: Heckler muss erkennen, dass die Wahrheit nicht unbedingt den Tatsachen entspricht. Um eine vollkommene Wahrheit zu erfassen, müsste es dem Menschen möglich sein die Komplexität der wirkenden Systeme – Staat, Gefühle, Leben – zu begreifen, welche aber so kompliziert sind, dass der Mensch dazu nicht fähig ist. Und es auch nicht sein möchte, denn dadurch würde das seriöse Weltbild des Alltagsmenschen zerstört. Ich binde dem Autor ein Kränzchen zur Freiheit seines Geistes sich aus der gedanklichen Komfortzone des Alltagsmenschen befreien zu können und für die Tatsache, dass dieses Buch trotz des trockenen Stiels dauernd eine gewisse Grundspannung behält, so dass man nach jeder Seite weiterliest. Und ich bedanke mich für Hecklers Humor, den ich wirklich mochte.
Mein persönlicher Lieblingssatz: Hörte ich nicht neulich, dass manchmal der Drucker den Rechner steuert? Seite 326