Cover des Buches Ansichten eines Clowns (ISBN: 9783423191166)
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Rezension zu Ansichten eines Clowns von Heinrich Böll

Der Mief der Adenauer-Ära

von Hamlets_Erbin vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Stimmige Darstellung einer gescheiterten Beziehung & gelungenes Porträt der Adenauer-Ära.

Rezension

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Hamlets_Erbinvor 7 Jahren

"Nicht einmal der Teufel kann so scharfe Augen haben wie Nachbarn." (S.60)

Inhalt: Der Clown Hans Schnier kehrt nach längerer, berufsbedingter Abwesenheit in seine Heimatstadt Bonn zurück. Er ist pleite, am Knie verletzt und leidet unter Liebeskummer, weil er von der Frau mit der er sechs Jahre in wilder Ehe gelebt hat, verlassen wurde. In seiner Wohnung angekommen, ruft er diverse Bekannte an, um etwas über ihr gegenwärtiges Leben in Erfahrung zu bringen und sich Geld zu leihen. Dabei erinnert er sich an seine Vergangenheit.

Meinung: Der Roman ist in einer Sprache geschrieben, die es dem Leser leichtmacht - unprätentiös, gerade heraus, fast wie hingeworfen. Dadurch spürt man hinter den Worten die Stimmung des Ich-Erzählers. Ob Zorn, Verwunderung, Leidenschaft oder Melancholie: Der Leser kommt der Romanfigur durch die Unmittelbarkeit der Sprache sehr nahe.
Die eigentliche Romanhandlung erstreckt sich über wenige Stunden, gewinnt aber durch die Erinnerungen Hans Schniers biographische Länge. Schnier denkt an seine Kindheit in Nazideutschland zurück, an seine tote Schwester, sein erstes Mal mit seiner Geliebten Marie und an ihre sechsjährige Beziehung. Er schildert den Alltag einer wilden Ehe, die, obgleich von finanziellen Sorgen belastet (aufgrund seiner ungesicherten künstlerischen Existenz), doch relativ stabil war, bis sich eine katholische Gruppe einmischte.
Böll kritisiert katholische Vereinsmeierei und die Atmosphäre der Adenauer-Ära, die es vielen Opportunisten und Verbrechern der Nazi-Zeit gestattete, Karriere zu machen, weil man an der Aufarbeitung der Vergangenheit nicht interessiert war. Sein Roman ist voller starker Szenen, die sich tief ins Lesegedächtnis eingraben.

"Daß Kritiker kritisch sind, ist nicht das Schlimmste an ihnen, sondern daß sie sich selbst gegenüber so unkritisch und humorlos sind." (S.174)

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