Rezension zu Ansichten eines Clowns - Roman von Heinrich Böll
Rezension zu "Ansichten eines Clowns - Roman" von Heinrich Böll
von Ein LovelyBooks-Nutzer
Rezension
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Ein LovelyBooks-Nutzervor 11 Jahren
Ist Heinrich Böll vergessen? Natürlich nicht. Vielleicht in dem Bücher-Wust unserer Tage etwas untergetaucht, aber nach wie vor aktuell wie er aktueller nicht sein könnte. - Was ein Anliegen seines Clowns, die Einstellung zur katholischen Kirche, betrifft, nach wie vor gültig; in Bölls Sinne jedenfalls immer noch insofern, als Kritiker aus den Reihen der Christen zunehmend häufiger eine unserer Zeit entsprechende „Reformation“ fordern, allerdings nicht nur der katholischen, sondern auch der evangelischen Kirche. In einem zweiten Punkt noch gültiger als damals, nämlich soweit es um das Bild des Kapitalismus geht. Dass insbesondere die doppelte Moral ein ständiges menschliches Problem bleibt, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung. - Die in der Tat etwas konstruierte Geschichte (Böll äußerte sich selbst so) befasst sich mit einem unangepassten, in die Rolle eines Clowns gekleideten jungen Menschen, der seinen Mitmenschen, die er größtenteils als gleisnerische Pharisäer sieht, die Wahrheit ins Gesicht sagt. Er zeigt damit sein eigenes wahres Gesicht, das zwar das eines konsequent aufrechten Menschen ist, aber auch nicht unbedingt nur schöne Züge aufweist. Den eigenen Eltern ständig ihre Charakterlosigkeit im Spiegel vorzuhalten, mehr oder minder liebenswürdigen Mitmenschen unangenehme Wahrheiten, oft sogar unnötigerweise, ins Gesicht zu sagen oder jemanden anzuschnorren und dann unter den Augen des Angebettelten mit einem Taxi wegzufahren, darf wohl nicht als anständig angesehen werden. Seine Kompromisslosigkeit, die es ihm sogar als angemessen erscheinen lässt, Ohrfeigen auszuteilen, ist es wohl, die den Protagonisten letztlich zum Loser macht, als monogam Liebenden und sogar als Clown. Traurig, aber wahr.- Vermutlich wollte Böll mit dieser Zeichnung seines Clowns und mit dem mehrmaligen Hinweis auf „Schweißtropfen auf der Oberlippe“ eines Scham empfindenden Mitmenschen die menschlichen Unvollkommenheiten in ihrem Extrem aufzeigen! Sicherlich ging es ihm nicht um die Geschichte, sondern brauchte er die Geschichte nur, um Ansichten seines Clowns kundzutun. Ansichten, die nicht nur weiterhin lesenswert sind, sondern gelegentlich auch beachtet werden sollten, nicht nur von denen, denen sich Böll politisch zugehörig fühlte.