Rezension zu "Die 27ste Stadt" von Jonathan Franzen
Ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen. Immerhin hab ich wohl so 3/4 geschafft, bis mir komplett der Überblick verloren ging. Franzen fährt gern eine große Anzahl Protagonisten auf, und er verlangt Aufmerksamkeit beim Lesen. Die hatte ich, ich habe das Buch im Urlaub begonnen und mich stundenlang ausgeruht und konzentriert der Geschichte gewidmet.
Also. Die vermeintlich Guten im Spiel sind Vorzeigeehepaar Martin und Barbara Probst, nebst fast erwachsener Tochter Luisa. Ehrlich, loyal, steinreich und mit guten Kontakten ausgestattet. Bauunternehmer, politisch aktiv im "Städtischen Wachstumsverein".
Die gar nicht Guten sind nicht gebürtig aus St. Louis. Die sind aus Indien, Bombay, wie Jammu, die neue Polizeichefin und Asha Hammaker, frischgebackene Ehefrau des Geschäftsführers des einflussreichen Brauerei-Imperiums Hammaker. Die beiden Ladys spinnen Intrigen und gehen äußerst perfide und rücksichtslos vor, es wird spioniert, verwanzt, entführt, getötet und unter Drogen gesetzt. Bomben explodieren Töchter fliehen, Sex wird als Waffe eingesetzt.
Alles unter dem harmlosen Begriff Stadtentwicklung. St. Louis soll es wieder besser gehen, die Stadt soll im amerikanischen Ranking wieder ein paar Plätze aufsteigen. Nicht mehr nur die 27ste Stadt sein.
So weit so gut. Also machen sich Jammus Männer ans Werk. Der nelkenzigarettenrauchende Singh, Tausendsassa in allem, gibt sich alle Mühe, die heile Familie Probst zu zerstören. Der Hund wird überfahren, die Tochter widersteht der Verführung, die Ehefrau leider nicht.
Eine dritte Inderin wickelt sich den ebenfalls wichtigen weil begüterten Ehemann der Schwester von Barbara Probst um den kleinen Finger. Dann bevölkern weitere Personen die Bühne, der Bürgermeister, Fernseh- und Radiostars, Generäle, Polizeiobermeister und kleine Angestellte, FBI. Weitere Unternehmer.
Bald schwirrt der Kopf vor lauter Namen, viele kleine Geschichten verdichten sich, der Faden geht verloren, es sind zu viele Menschen, Schicksale, Details, die alle eine Rolle spielen im Kampf um die Stadt.
Für mich relativ unglaubwürdig: die Beliebtheit der neuen Polizeichefin, die rasant alle wichtigen Persönlichkeiten für sich einnimmt, die schnell alles lenkt und steuert ...
Es geht um viel Geld, wie immer. Um Macht. Um Einfluss, Sex und Einsamkeit. Doch irgendwie ist alles zu viel und gleichzeitig zu wenig, die Geschichte verliert an Fahrt, ist nur mehr mühsam zu lesen, mehr Pflicht als Vergnügen. Und deshalb hab ich an diesem Punkt aufgehört zu lesen. Was auch immer aus St. Lois werden wird, die Superstadt für Superreiche oder was auch immer - ohne mich.