Der Krieg hat Gisela alles genommen. Die Heimat, Familie und Eigentum – nichts als das nackte Leben und das Wissen darum, dass ihr Vater durch Missgunst der Mitmenschen in den letzten Kriegstagen noch in Gefangenschaft geraten war. Ob er noch lebt? Sie selbst hatte Glück. Der ehemalige Clown Tobi hat sich ihrer angenommen und sich zu einem Flüchtlingslager durchgeschlagen. Von dort führt sie ihr Weg zu den Kranewitters, die sie aufnehmen. Doch der Krieg erschüttert in Nachwehen immer noch das Land. Gleichgültige Besatzer, missgünstige, verleumderische und hartherzige Mitmenschen neiden Gisela und den Kranewitters auch noch das kleinste Glück und Stückchen Seelenfrieden.
Der erste Band erzählt von den bitteren Ereignissen der letzten Kriegstage, dem harten Leben im Flüchtlingslager und den kargen, beschwerlichen Schritten zurück ins Leben. Fast harmlos mutet die spärliche Beschreibung an als Gisela zu Beginn in ihre Heimatstadt zurückkehrt, die immer noch unter Beschuss steht. Wie leicht klingen die Formulierungen von den letzten fallenden Bomben und zerstörten Häusern – so leicht, dass das Grauen des Krieges erst nach und nach unter die Haut kriecht bis man das Ausmaß des Entsetzens spürt als Gisela von der Frau, die ihren Vater aus Bosheit in Haft brachte, gehässig in den Bombenhagel gejagt wird. In dieser Szene entlädt sich all das ungesagte Grauen, in dem die Charaktere stehen. Zwar ist dies die letzte Kriegsszene, die in diesem Buch geschildert wird, danach wird von Flüchtlingslagern und der Verteilung der geflüchteten Ostdeutschen gesprochen, doch bleibt die Erschütterung in der ganzen Geschichte zu spüren. Neid und Missgunst, Hartherzigkeit, Lügen und Bosheit lauern als gefährliche Elemente der Nachkriegszeit in den Schatten. Ein Wink an die Besatzer, ein heimlicher Tipp an die Polizei und schon kann alles, was man sich erkämpft hat, in den Staub getreten werden.
Heinz Steguweit erzählt hier keine einfache Geschichte. Es geht hier nicht um junge Liebe, den Aufbau eines neuen Lebens. Er hält hier fest wie die Nachkriegszeit ausgesehen at. Bitteres Leid, Angst, Ungewissheit, Hunger und doch die Freude an Kleinigkeiten, die erlösende Entdeckung von Menschlichkeit in Zeiten des Nichts und den beharrlichen Mut, den Optimismus den Kampf ums Leben wieder aufzunehmen, sich nicht unterkriegen zu lassen und Glück zu finden, wo man es nie gesucht hätte.
Die Geschichte erfordert starke Nerven für jeden mit lebhafter Phantasie. Es handelt sich um ein Jugendbuch, sodass hier viel an Gräueln und Leid ausgespart wird, sich Erschütterungen aber in anderen, harmloseren Szenen entladen. Auch heute noch eine absolut lesenswerte Geschichte. Ein berührender Einblick in eine Zeit, die noch nicht so lange zurückliegt, doch in ihrem wahren Ausmaß nur noch von wenigen gekannt wird – man möchte sagen, zum Glück.