Cover des Buches Fleisch ist mein Gemüse (ISBN: 9783499237119)
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Rezension zu Fleisch ist mein Gemüse von Heinz Strunk

Pulsierende Eiterbeulen der Schlagermusik

von Farbwirbel vor 8 Jahren

Rezension

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Farbwirbelvor 8 Jahren

„Fleisch ist mein Gemüse“ - Der Titel weckt Interesse. In Manier einer Autobiografie berichtet Heinz Strunk von seiner Vergangenheit als Bläser in einer Tanzmusikband. Zu Beginn stellt er dabei sein sehr klein gebliebenes Umfeld in Hamburg-Harburg vor und damit auch sich selbst. Gefangen in seinem eigenen, sehr bequemen und antriebslosen Trott, berichtet er detailreich von seiner Erwachsenenakne, den Psychosen seiner selbst, der Nachbarschaft und seiner Mutter, sowie über seine hemmungslose Sauferei. Durch Zufall gerät er in die Band „Tiffanys“ und wird dort Teil der Stammbesetzung. Die Band tourt durch die Döfer und unterhält Schützenfeste und Hochzeiten musikalisch. Mal befindet sich Strunk auf dem aufsteigenden Ast, kümmert sich um sein Wohl, strukturiert sich, überwindet seine Depression, mal fällt er in ein tiefes Loch. Von ekligen Aknebeschreibungen, über beiläufige Selbstbefriedigungsgeständnisse, hin zu einer ausgeprägten Spielsucht ist irgendwie alles mit dabei. Gewürzt ist das ganze mit Liedtexten der Schlagermusik aus den 80ern und 90ern.

Das Buch ist in die Jahre von 1985-1997 eingeteilt, also die Zeit der Mitgliedschaft Heinz' bei 'Tiffanys'. Diese Überkapitel sind durch Unterkapitel weiter strukturiert. Die Unterkapitel sind recht kurz, das längste ist 16 Seiten lang. Der Schreibstil ist knapp, teilweise eliptisch und das Buch liest sich schnell weg.

Als nächstes kam ich auf die verwegene Idee, statt um zwei Uhr nachmittags morgens um neun aufzustehen. Ich pennte zwar anfangs immer fast im Stehen ein, aber nach ein paar Wochen war es geschafft. Ich hatte wieder die Kontrolle über mein Leben übernommen. -S. 166

So wirklich gehaltvoll ist dieses Werk für mich nicht gewesen, wenn auch immer wieder wortgewandt und witzig. Trotzdem fand ich es teilweise ziemlich widerlich und dann wieder zu monoton. Strunk zeichnet hier das Bild eines geschundenen und verlorenen Orientierungslosen mit Depressionen, der einfach keine Ahnung davon hat, was er mit seinem Leben beginnen soll und auch bis zum Ende des Buchs nicht wirklich was aus sich macht. Diese ohnmächtige Ziellosigkeit ist dann auch wieder interessant. Ich könnte mir vorstellen, das Buch würde Anklang bei Menschen finden, die in den 90er Jahren ihre Jugend verlebt haben und vielleicht auch gerade bei Männern.

Mich hat dieses Buch wirklich nicht überzeugt. Auch wenn Strunk von Feuilleton gern besprochen wird, mich hat das nicht wirklich umgehauen. Ich bin aber froh, dass er in der Welt außerhalb der Buchseiten seinem Leben, so scheint es, Orientierung geben konnte.


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