Cover des Buches Heinz Strunk in Afrika (ISBN: 9783499258596)
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Rezension zu Heinz Strunk in Afrika von Heinz Strunk

Zwei Nicht-Abenteurer in Afrika

von Code-between-lines vor 9 Jahren

Rezension

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Code-between-linesvor 9 Jahren

Zum Inhalt: In Heinz Strunks viertem Buch, welches er selbst nicht als Roman bezeichnet (es ist ein Mix aus Erlebtem und Erfundenem) beschreibt Strunk, wie er Weihnachten 2007 mit seinem Freund C. in Mombasa, Kenia verbringt. Hinter C.,verbirgt sich der Wiener Kabarettist und Strunks langjähriger Freund Christoph Grissemann. Die beiden fahren seit mehreren Jahren gemeinsam an Weihnachten in den Urlaub. Das passt deswegen so gut, weil beide dieselben Erwartungen an einen solchen Urlaub haben. Beziehungsweise – keine Erwartungen. Es sind nicht möglichst viele Eindrücke des fernen Urlaubsziels und aufregende Erlebnisse, die den gewünschten Erholungseffekt bringen sollen, nein – Strunk und C. streben nach „Nicht-Erkrankung, körperlicher Ruhe und keiner Gewichtszunahme“. Anders gesagt: Den größten Erholungswert haben Reisen, auf denen nichts passiert. „Die ganze Welt bereist und nichts gesehen“, lautet das Motto.
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. In Teil eins reicht den beiden Freunden die schicke Urlaubsanlage, in der sie sich eingemietet, als Urlaubshorizont und geographischer Veränderung vollständig aus: Heinz und C. verbringen ihre Urlaubstage am liebsten mit viel Routine und möglichst unaufgeregt: feste Zeiten für Mahlzeiten und Abhängen am Pool (natürlich nur am kleinen „Plumpspool“, wo man die eigene Sitzmulde schon fest belegt hat , niemals am großen „Big Pool“, an dem man zwischen lauter Unbekannten sitzen würde), dann und wann mal zum Strand - aber zu festen Zeiten und nie ohne vorher einen Cappuchino und eine Sprite am Kaffeerund bestellt zu haben. Immer. Zwischendurch Spitznamen für die Hotelnachbarn ausdenken und ein bisschen Senioren-Bashing: “Ihr alleiniges Interesse gilt dem Funktionieren der Organe und ihrem labilen Gleichgewicht, den koronaren und vaskulären Schwächen.“ (S. 206). Gewohnheiten sind was Schönes, und so erholt es sich auch am besten. Es ist die typische Trostlosigkeit, wie man sie von Strunk nicht anders kennt. Und die Tatsache, dass Heinz‘ Koffer auf der Anreise verloren gegangen ist und C. die Reise erst mit einiger Verspätung antreten konnte, dafür aber eine schlimme Erkältung im Reisegepäck hatte, sind ja auch schon aufregend genug!

In Teil zwei lassen sich Heinz und C. dann tatsächlich von den verheißenden größeren und besser ausgestatteten Spielkasinos und Diskotheken nach Mombasa locken, wo sie allabendlich vor den Spielautomaten ihr Geld verzocken, um anschließend den Rest der Nacht in billigen Diskotheken verbringen.
„Beim Essen rauchen ist das Größte. Bekleckert und besudelt zwischen blinkenden und piepsenden Spielautomaten. Das ist Glück. Und ich bin pleite.“ (S. 188)

Fast schon zu viel Abenteuer – erst recht, als es im Zuge der Präsidentschaftswahlen in Mombasa zu Unruhen und Aufständen kommt und Heinz und C. sich (natürlich selbstverschuldet) mittendrin befinden.

Eigene Meinung: Strunks viertes Werk ist nicht richtig schlecht, aber definitiv auch nicht wirklich gut. Die Monotonie des typischen Pauschaltouristen, der von einem Urlaub genauso wenig Abenteuer und Aufregung erwartet wie auch von seinem restlichen Leben, ist zwar der erklärte Grundtenor des Buches – aber hin und wieder hätte ich mir auf den immerhin 272 Seiten doch etwas mehr Handlung gewünscht.
Wären nicht Strunks bissiger Humor so gemein wie zutreffend und die Beschreibungen seiner Umgebung und seiner Mitmenschen so zynisch und ehrlich, wie man es von ihm gewohnt ist, hätte ich mich vermutlich wirklich durch manche Seiten gequält.
„Im Ausland trifft man fast nur auf ältere, gebildete und wohlhabende Amis; die adipöse Mehrheit ist zu dick und zu arm zum Reisen.“ (S. 113)
Überhaupt nicht gefallen haben mir im ersten Teil die oft mehrseitigen Abschnitte über das Kino-Drehbuch, an dem Heinz und C. während des Urlaubs zusammen schreiben. Anfangs fand ich die hahnebüchenen Einfälle der beiden über die Geschehnisse rund um den großen Pudel-Schönheits-Wettbewerb, die „Pudel Open“, noch ganz witzig, doch zunehmend haben sie meinen Lesefluss gestört und am Ende habe ich sie einfach überblättert.
Von Anfang an macht der Autor deutlich, dass ihm nicht an seriöser Reiseschriftstellerei gelegen ist (natürlich nicht!), und nimmt neben all den anderen Touristen auch die eigene Person und das eigene Vermögen als Schriftsteller aufs Korn: als Stilelement nutzt er dazu eine Stimme aus dem Off, welche sein Schreiben hin und wieder, dann jedoch grundsätzlich vernichtend kommentiert: "Herr Strunk, das war sehr, sehr schlecht. Sie sind nichts weiter als ein elender Hobbyautor, aus Ersatzteilen in den Werkstätten von Kleinmeistern gefertigt."
An seinen großen Erfolg „Fleisch ist mein Gemüse“ – in dem die Beschreibung des trostlosen Nichtstuns und dem tragischen Verharren in unmöglichen Situationen so urkomisch geschildert war, reicht Strunks viertes Werk definitiv nicht heran. Im nächsten Werk plant der Autor nicht mehr die eigene Biografie zu bemühen, sondern stattdessen einen fiktiven Charakter zu wählen. Vielleicht wird es auch langsam Zeit dafür.

Fazit: Echte Heinz Strunk-Fans werden mit dem Werk vermutlich ihren Spaß haben (und zwar genau den, den sie erwarten), alle anderen verpassen nichts, wenn sie das Buch im Regal stehen lassen.
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