Beschreibung
Bei ihrer Arbeit im Londoner Fundbüro hat Dot zwischen all den verlorenen Dingen einen Rückzugsort gefunden, denn auch sie hat etwas verloren, dass ihr teuer ist, jedoch nicht mehr zurückgeben werden kann. Sie geht in ihrem Job auf und liebt nichts mehr als einen verlorenen Gegenstand mit ihrem Besitzer zusammenzubringen. Eines Tages kommt Mr. Appleby, ein älterer Herr, auf der Suche nach einer Ledertasche ins Fundbüro, denn in der Tasche war ein Andenken an seine verstorbene Frau enthalten und da Dot seinen Schmerz allzu gut nachvollziehen kann, setzt sie alles daran, ihn mit seiner Tasche und den darin enthaltenen Erinnerungen wieder zu vereinen. Doch währenddessen verschlechtert sich der Gesundheitszustand ihrer dementen Mutter und Dot muss herausfinden, was sie wirklich will im Leben…
Meine Meinung
Mit dem verheißungsvollen Titel »Das Fundbüro der verlorenen Träume« wurde mein Interesse für Helen Frances Paris Debütroman sofort geweckt und das hübsche Cover tat sein Übriges.
In einer wundervoll bildlichen, fast schon poetischen, Sprache erzählt die Autorin eine berührende Geschichte voller Herz. Im Mittelpunkt der Handlung steht die pedantische sowie kratzbürstige Dot, deren Wesen im Innern der harten Schale butterweich ist. Ich mochte es sehr, wie Helen Frances Paris die Schichten um Dots Kern freilegt, denn unter ihrem Kostüm und der sicheren Fassade ihres Jobs beim Londoner Fundbüro steckt eine fabelhafte Persönlichkeit.
Bevor es jedoch so weit ist, und man die Hintergründe von Dots Vergangenheit scheibchenweise präsentiert bekommt, erhält man einen lebhaften Einblick in das Tagesgeschäft eines Fundbüros, welches durch die liebevollen Beschreibungen der Erzählerin regelrecht zu leuchten beginnt – seien die Ereignisse noch so profan. Nicht nur das Fundbüro bekommt Struktur verliehen, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen von Dot erhalten ihren Raum. Leider bleibt es um diese jedoch recht schablonenhaft und einige Klischees werden bedient, wie z. B. die des übergriffigen Chefs.
Als dann die familiären Umstände Dots auf den Tisch kommen, wird es unheimlich emotional und auch dramatisch, denn Dots Leben kam so richtig aus dem Tritt, als ihr heißgeliebter Vater Suizid beging. Seither hat Dot ihre Träume vom Reisen und Arbeiten als Dolmetscherin auf Eis gelegt und sich lieber in den sicheren Wänden des Fundbüros zwischen all den verlorenen Dingen, die zurückgegeben werden wollen, verkrochen. Außerdem ist da noch ihre demente Mutter, die sich nach einem Sturz im Pflegeheim erholt und ihre ältere Schwester Philippa, zu der sie nicht den allerbesten Draht hat.
Der mit einigen Längen gespickte Verlauf begleitet Dot in ihrer aus Selbstvorwürfen und Schuldzuweisungen gespickten Abwärtsspirale, erst als ihr Leben durch die Belästigung ihres Chefs und der fristlosen Kündigung aus den Angeln gehoben wird, erwacht Dot aus ihrer Starre und beginnt ihre familiäre Vergangenheit aufzuarbeiten, zu sich selbst zu finden und ihre Träume wieder aufleben zu lassen. Leider kommt letzteres etwas zu kurz für meinen Geschmack – denn nach all der Dramatik hätte ich eine Portion mehr Licht vertragen können.
»Das Fundbüro der verlorenen Träume« ist trotz einiger kleiner Schwächen ein zauberhafter Roman über schwermütige Themen, der durch Dots besondere Art und ihr Wesen einen stimmungsvollen Anstrich bekommt.
Fazit
Ein Debütroman, der unbedingt gefunden werden will und in dem man sich hervorragend verlieren kann.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 31.05.2022