Cover des Buches Jack und Jill (ISBN: 9783813505580)
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Rezension zu Jack und Jill von Helen Hodgman

Das Leben im Outback mit einer jungen Liebe erfüllt von Hass und Demut!

von Floh vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Nagend, erschreckend, erzählend und intensiv. Mit einer klaren 4 Sterne Leseempfehlung!

Rezension

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Flohvor 9 Jahren
Wenn es einer Autorin gelingt, den Grat zwischen idyllischer Atmosphäre, Vergangenheit und finsterer Erlebnisse und die nagende Situation der Gegenwart in einem Roman zu vereinen, dann ist es die gefühlvolle und ambitionierte Autorin Helen Hodgman, die Ernsthaftigkeit und Beklemmung mit einer stimmigen Brise Humor und bestimmten schwarzen Noten versehen kann. Ihr Roman „Jack und Jill“ entführt auf eine Reise, die sich wie ein Kinofilm vor dem inneren Auge abspielt.
Erschienen im Knaus Verlag (http://www.randomhouse.de/knaus/)

Inhalt:
„Ein Roman wie ein Film von David Lynch – abgründig, gefährlich, anziehend
Nach dem Tod der Mutter lebt Jill mit ihrem Vater allein auf einer Farm im australischen Outback. Die beiden führen ein einfaches, aber zufriedenes Leben. Bis eines Tages Jack vor der Tür steht. Misstrauisch beobachtet der Vater, wie die heranwachsende Jill die Nähe des jungen Wanderarbeiters sucht. Doch weder Jack noch Jill haben gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen. Langsam, aber stetig verwandelt sich ihre Liebe in Hass.
Die Geschichte zweier Menschen, die weder zueinander finden noch voneinander lassen können, besticht durch einen unverwechselbaren Ton und eigenwillig exzentrische Figuren. Der Roman wurde bei seinem Erscheinen mit dem Somerset Maugham Award ausgezeichnet.“

Schreibstil:
Der Autorin ist ein Roman der düsteren, aber auch sehr emotionalen Töne gelungen, der nicht nur aufgrund der authentischen Geschichte und der bewegenden Begebenheiten intensiv erscheint. Besonders der geschickte Aufbau des Romans, bei dem zwischen Vergangenheit und dem gegenwärtigem Zeitpunkt ein schmaler Grat bewältigt wird. Eine junge und unbeholfene Liebe hinter sagenhaften Kulissen, die in bitteren Hass und Verletzung umschlägt. Hilflos, rabenschwarz und so tiefgründig… Durch Gedanken, Erzählungen, Protokolle und Sinnbilder wird diese Geschichte aus einer dritten Sicht erzählt. Abwechselnd wird Jills Gefühlswelt und auch Jacks Leben durchleuchtet und erzählend zusammengefügt. Hier wird man als Leser durch die dritte Person als Zuschauer und Betrachter der Situationen. Ein gekonnter und aber auch üblicher Schachzug mit einer vorsichtigen und zurückhaltenden Herangehensweise. Dieser Schachzug der Autorin Helen Hodgman erzeugt aber leider wenig Nähe und Verbundenheit. Diese Erzählperspektive hält den Leser hier etwas auf Distanz und man kann sich nur wenig einfühlen, was ich sehr schade finde. Die Beschreibungen des harten Lebens, des Verlustes, das Leben mit dem Vater im Outback, das Erscheinen von Jack, die neue Gefühlswelle und die Rebellion, das Erwachsenwerden, mit all seinen Entbehrungen und Traditionen sind von der Autorin voller Verbundenheit und Herzblut niedergeschrieben und werden so enorm nachempfindbar für den Leser. All diese Facetten der Schriftstellerei versetzten mich während des Lesens wahrlich an die Kulissen des weiten Australiens und des harten Lebens dort.

Meinung / Eindrücke:
Das Buch ist definitiv kein reißerischer oder lebhafter Roman, es ist ein Werk der ruhigeren Töne, der großen Emotionen und der beschatteten Ereignisse. Auflockerung bringt hier gewiss der besondere Sinn für Humor, zynischen Dialogen und Weltansichten. Die Ängste und Hoffnungen von Jack und Jill wirken still und somit umso eindrücklicher, schwermütiger. Dann jedoch braust diese Liebe enorm auf und verwandelt sich in etwas ganz anderes. Ist es Hass? Kann Liebe zu solchen Hass anschwellen? Dieses Buch gut, richtig gut. Es stellt den Leser vor einer Zerreißprobe zwischen mit Herz und Schwermut zu verschlingen und mit Ärgernis zu verdauen. Ein Buch voller Facette und Leben. Wenn es noch etwas mehr Tiefe und Halt besessen hätte, wäre ich ganz und gar zufrieden. Man merkt jedoch sofort, dass die Autorin weiß wovon sie erzählt, da sie ein sehr beeinflusstes und besonderes Leben führt. Sie hat schon viele Orte gesehen und konnte somit viele Eindrücke und Einflüsse mitnehmen, die sie nun in ihre Worte und Geschichten verpackt. Bisher war mir diese Autorin unbekannt, doch gerne möchte ich mir ihre bisherigen Titel ansehen und kennenlernen. Meiner Meinung nach stellt dieser Roman ein berührendes und zugleich erschreckendes Portrait einer verurteilten Seele dar, das mich dank der vielen Einblicke und Nuancen überzeugen konnte. Klare Leseempfehlung für all diejenigen, die sich auf einen leisen und dennoch eindringlichen Gesellschaftsroman samt hoher Gefühlswelle und Wendung einer Liebe einlassen wollen. Ein Buch, welches für Beklemmungen aber auch großartige Vielfalt und atmosphärischer Schauplätze und Kulissen sorgt.

Kritikpunkt:
Da die Thematik doch sehr erdrückend und emotionsgeladen ist, hätte ich mir hier gern einen anderen Erzählstil gewünscht. Hier sorgt die dritte Person leider für etwas Distanz und wenig Tiefe, die jedoch nötig wäre, um all die ganzen Gefühle ganz aufnehmen und miterleben zu können. Das finde ich sehr schade, da dieses Buch sonst so bezaubernd schön und rund wäre. Aber ohne wirkliche Tiefe und Nähe gibt es zu wenig Intensität um ganz intensiv im Gedächtnis zu bleiben.

Die Charaktere:
Beide Hauptprotagonisten mochte ich sehr gern. Ihre Vergangenheit und ihre Traumata sorgen für Schock und Mitgefühl. Zunächst wird uns die Geschichte von Jill erzählt. Wir erleben wie sie im Outback mit ihrem unterkühlten Vater aufwuchs, was sie erlebt und was das Ganze aus ihr macht.
Bereits als Kleinkind hat sie ein schweres Trauma zu ertragen. Der Wanderarbeiter Jack sucht Tätigkeit auf der Farm von Jills Vater. Jill fühlt sich auf besondere Weise zu Jack hingezogen. Diese Anziehungskraft beruht auf ein ganz tragisches Erlebnis, welches Jill nie wirklich für sich verarbeitet hat.
Jack ist von ganz spezieller Natur, er wirkt eigen und von sich überzeugt, ihm ist es egal, was andere von ihm halten und wie er ihnen begegnet. Zwischen Jack und Jill baut sich eine ganz besondere Beziehung auf. Will man es Liebe nennen? Hass? Demut? Aber auch in die Situation des unterkühlten hart arbeitenden Vaters konnte ich mich gut versetzen. Ob ich ihre Aktionen und Beweggründe verstehe steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Sehr gut gelungen ist es der Autorin Helen Hodgman, aufzuzeigen, wie unterschiedlich sich Jack und Jill im Laufe der Geschichte entwickeln, wie die Rollen sich umdrehen, sie beide füreinander sorgen und sich brauchen und zerstören. Bewundernswert finde ich sowieso, wie beide ihr Leben meistern, sich arrangieren, annähern, abstoßen und beeinflussen. Auch die anderen Charaktere, denen Jack und Jill auf ihrer Reise begegnen, sind lebhaft skizziert. Gesamt fehlt es hier jedoch an Tiefe und Nähe, da der Erzählstil wenig Raum für intensivere Gefühle zulässt.

Die Autorin:
„Helen Hodgman, 1945 in Schottland geboren, zog als Jugendliche mit ihrer Familie nach Tasmanien. 1976 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Mit ihrem zweiten Roman gewann sie 1978 den Somerset Maugham Award, mit ihrem dritten den Christina Stead Prize. 1983 erkrankte Helen Hodgman an Morbus Parkinson. Sie lebt heute, nach längeren Aufenthalten in England und Kanada, wieder in Australien.“

Das Cover:
Eine düstere Leichtigkeit versprüht dieses Bild trotz der hellen Blumen. Gedeckten Farben, wie ein Stillleben. Einladend und gut gewählt. TOP.

Fazit:
Ein sehr emotionales, leises und bestimmtes Buch. Die Autorin hat Wiedererkennungswert und setzt sich auch mit „Jack und Jill“ ein Mal. Eine glatte 4 Sterne Leseempfehlung.
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