„...Alles scheint sinnlos, sie fühlt sich verloren in einer Welt von Brutalität und Gewalt. Egal wohin sie gehen wird, dieser inneren Einsamkeit wird sie nie davonlaufen können, die wird sie immer einholen...“
Wir schreiben das Jahr 1962. In Oran ist es eine der Aufgaben des französischen Rechtsanwalts Renè Soyer, die verfeindeten Parteien an einen Tisch zu bringen und zu einem Friedensvertrag zu kommen. Ihm folgt seine 21 Jahre alte Freundin Hannah. Sie übernimmt Aufgaben für Renè und gibt sich anfangs als Journalistin aus.
Die Autorin hat eine intensive Geschichte über ein historisches Thema geschrieben. Dabei steht vor allem Hannahs Leben im Mittelpunkt der Handlung.
Der Schriftstil ist sehr distanziert. Dadurch wirken einige Szenen sehr beeindruckend und bedrückend.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Trotzdem bleibt für mich Renè eine undurchsichtige Erscheinung. Einerseits gibt er sich als Hannahs väterlicher Freund aus, andererseits benutzt er sie gnadenlos für seine Zwecke. Henri, ein Algerienfranzose, beschreibt ihn folgendermaßen:
„...Noch nie habe ich eine so charismatisch schillernde, in sich ruhende, geistig quirlige,von Rabelais nicht nur in der Körperlichkeit, sondern auch vom Intellekt her geprägte Persönlichkeit kennengelernt...“
Doch im Verlaufe des Romans ändert sich Renè erschreckend. Mehr und mehr kommt eine dunkle Seite zum Tragen.
Hannah hatte Deutschland verlassen, um in Paris Ballettunterricht zu nehmen. In einer kritischen Situation hatte ihr Renè unter die Arme gegriffen. Das erklärt ihre Bindung an den 30 Jahre älteren Mann. Ab und an gehen Hannahs Gedanken in die Vergangenheit. Trotz ihrer Jugend hat sie ein bewegtes Leben hinter sich, dessen Wurzeln in die Zeit des zweiten Weltkrieges zurückgehen.
1962 ist das Jahr der Entlassung von Algerien in die Selbstständigkeit und Freiheit. Während Hannahs Zeit in Oran taumelt diese Stadt ihrem Untergang entgegen. Auslöser ist der Terror der OAS, einer Organisation der Algerienfranzosen, die bis zuletzt auf eine eigene Enklave im Lande hofft. Hannah gerät in eine Welt von Brutalität und Angst. Terror der einen Seite ruft Racheaktionen der anderen hervor. Beide Gruppen nehmen keinerlei Rücksicht auf Frauen und Kinder. Die OAS will verbrannte Erde zurücklassen. Dafür ist ihr jedes Mittel recht.
Das Eingangszitat beschreibt, welche Folgen das Erlebte für Hannah hat.
Sehr genau werden die Handlungsorte beschrieben. Es gibt noch kleine Oasen der Ruhe und des Friedens, vor allem im arabischen Teil. Hier verwendet die Autorin treffende Metapher. Schnell aber zeigt sich, wie das normale Leben durch Schüsse aus dem Takt gerät.
Die Ereignisse in Oran verändern Hannah. Auf den Flug nach Alger, auf den sie Renè begleitet, denkt sie über ihre Zukunft nach:
„...Renè zwingt sie zu nichts, sie ist es, die ihm immer noch folgt...Vielleicht will sie das verlockende abenteuerliche Leben, das ihr Renè bietet, nicht aufgeben müssen...“
In Alger beginnt sie wieder für das Ballett zu trainieren. Es ist der erste Schritt zu ihrer Trennung.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. An einigen Stellen hätte ich mir allerdings ein paar mehr Informationen gewünscht. Das betrifft vor allem Renès politische Rolle. Dadurch würden eventuell sein negativen Veränderungen plausibler.