„Meiner Großmutter war an meiner Bildung gelegen. Deshalb schickte sie mich auf keine Schule. [Margret Mead, amerikanische Anthropologin]“. (S.22)
Zum Inhalt: So gut wie jeder kann bei diesem Thema mitreden. Und leider findet sich so gut wie jeder mit etwas kritischem Blick in diesem Buch wieder. Eine schon ihrer Form – der des Tagebuches – nach sehr persönliche Schilderung des Alltags eines Vaters, der den Ausbildungs- und Werdegang seiner Kinder in der Schule mitverfolgt und dabei einen essentiellen Fehler begeht: er hinterfragt ein System, das sich wie ein Perpetuum mobile verselbständigt hat. Das gut ausgebildete, einwandfrei dressierte und astrein angepasste Untertanen produziert. Abnehmer dieses Produktes finden sich in Wirtschaft und Konsumgesellschaft zuhauf. Auf den Punkt gebracht wird dies in folgendem Satz, der kennzeichnend für die Couleur des Buches ist: „Die Schule fördert Egoismus und Ehrgeiz. Angepaßtheit und Gleichgültigkeit. Die Schule ist ein Ort der Angst und Langeweile. Sie macht Kinder apathisch und aggressiv. Tötet durch sinnloses Pauken Originalität und Eigenständigkeit. Lob und gute Noten werden künstlich verknappt, um den Ehrgeiz noch zu fördern. Zehntelnoten entscheiden über Beruf und Leben. Aber was man in der Schule lernt braucht man meist nicht im Leben. Was man im Studium lernt, meist nicht im Beruf.“ (S.144)
Creutz wird nicht müde ein Reform der Schule hin zu einer mensch-zentrierten Ausbildungstätte zu fordern, deren Bildungsauftrag wieder ein im besten Wortsinn humanistischer zu sein hat. In deren Zentrum die Anwaltschaft des Lehrers nicht die der Obrigkeit, sondern jene der ihm anvertrauten Kinder sein muss. Denn: „Wissen, Bildung und Intelligenz sind für sich allein noch nichts wert. Sie erhalten erst ihren Wert durch die Koppelung mit Charakter und Gefühl. Mit Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewußtsein. Also durch die Verbindung mit wahrhaft menschlichen Eigenschaften.“ (S.86)
Fazit: Der Autor fasst in seinem Nachwort die Stoßrichtung des Textes selbst zusammen: „Zugegeben: dieses Tagebuch ist einseitig. Beschreibt vorwiegend negative Aspekte. Aber die gehören zu unserem System Schule. Sind dessen fester Bestandteil. Lassen sich nicht isolieren und herauslösen.“ (S.192) . Man spürt über weite Strecken die fast ohnmächtige Frustration über ein System, dass viele von uns selbst erlebt haben und sich somit den Gedankengängen und Schlussfolgerungen des Autors größtenteils anschließen können. Es ist, so konnte ich das auch bei meinen drei Söhnen hautnah miterleben, ein Wandel in der Schule bemerkbar, jedoch noch immer treffen 90% der Aussagen dieses 1983 in überarbeiter Form wieder erschienenen Buches zu. Erschreckend, geben wir doch unsere Kinder in die Hände jener Institutionen, deren Lernresistenz hin zu menschlicheren Bildungsorten immer auf’s neue frappant zu Tage tritt. Ein Buch das in die Ausbildung jedes Lehramtkandidaten gehören sollte.
Zum Buch: Ein gut verklebter Buchblock und eine solide Einbandausführung runden den sauberen Allgemeineindruck des Buches ab. Die typografische Gestaltung ist eher ein Tribut an klassischen Fließtext, denn an Ideenreichtum.