Das Drama wurde zu Kraus Lebzeiten nie aufgeführt und war wohl auch nicht für die Bühne gedacht, aber Kraus hat immer wieder daraus vorgelesen und das muss so ähnlich geklungen haben wie diese Lesung von Qualtinger. Er schlüpft in jede Person und gibt ihr eine eigene Stimme und Sprache: österreichischer Dialekt, jiddische Anklänge, knarzende preußische Offiziere, nicht ganz reines Hochdeutsch für die Hofbeamten, alles gleichzeitig bei den Straßenszenen... das muss man können und das kann Qualtinger!
Zum Inhalt: Kraus schildert in kurzen Episoden das Alltagsleben in Österreich während des Ersten Weltkriegs. Die Szenen sind weitgehend unabhängig von einander, manchmal kommen Personen in mehreren Szenen vor. Jeder Akt beginnt mit einer Szene auf der Ringstraße, wo die Stimmung der Bevölkerung vorgeführt wird.
Die Personen sind Karikaturen, die Szenen sind satirisch überspitzt, wenn die Minister sich im Kaffeehaus langweilen, während sie gerade einen Krieg begonnen haben, wenn militärische Leistungen dazu dienen, sich bei Kaffeehauskellnern in Szene zu setzen, wenn begeisterter Patriotismus eigentlich nur dummdreister Fremdenhass ist, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen unter dem Kriegsrecht, die wachsende Armut und bei Kraus unvermeidlich, die Eitelkeit und der Egoismus von Schriftstellern und Journalisten.
Und natürlich hat man den Verdacht, dass dies nicht Satire ist, sondern die pure Wahrheit
Helmut Qualtinger
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Helmut Qualtinger
Der Herr Karl
Helmut Qualtinger Werkausgabe in 5 Bänden
Blattl vorm Mund
Der Herr Karl und andere Texte fürs Theater
Helmut Qualtinger Werkausgabe in 5 Bänden
Helmut Qualtinger Werkausgabe in 5 Bänden
Das Helmut Qualtinger Hörbuch
Neue Rezensionen zu Helmut Qualtinger
Rezension zu "Qualtingers beste Satiren" von Helmut Qualtinger
Qualtinger muss man sehen und/oder hören, nur dann kann einem Hören und Sehen vergehen. Daher meine Bewertung nicht ganz so euphorisch.
Rezension zu "Das Helmut Qualtinger Hörbuch" von Helmut Qualtinger
"Aber ma hat die Größe gespürt!"
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"Satire ist die Kunst, einem anderen so auf den Fuß zu treten, dass er es merkt, aber nicht aufschreit." Diese Worte stammen aus dem Mund eines "rücksichtslosen anarchistischen Provokateurs", wie die einen meinten. Andere wiederum sahen in ihm einen "der zartesten, sanftesten, verletzlichsten Menschen mit einem deutlichen Hang zur Selbstzerstörung." Wahrscheinlich ist in beiden Aussagen die Wahrheit über ihn versteckt. Gemeint ist der 1928 in Wien geborene und 1986 viel zu früh verstorbene Schauspieler, Satiriker, Schriftsteller, Rezitator und erfolgreichste österreichische Kabarettist der fünfziger Jahre: Helmut Qualtinger.
Bei Diogenes ist eine CD mit einigen seiner legendären Aufnahmen und Liveauftritten herausgekommen, die an "Herrn Karl" erinnern, der am 08. Oktober 2008 80 Jahre alt geworden wäre
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Apropos "Herr Karl": noch heute identifiziert man Helmut Qualtinger mit diesem gefährlichen, weil unberechenbaren, österreichischen Kleinbürger und Mitläufer. Die Figur dieses typischen Durchschnittsösterreichers machte ihn weltberühmt, aber auch jede Menge Feinde. Sogar Morddrohungen brachte sie ihm ein. Natürlich darf diese brillante Satire auf dieser CD nicht fehlen. In einem elfminütigen Ausschnitt drängt der "Herr Karl" im Magazin einer Gemischtwarenhandlung einem unsichtbar bleibenden jüngeren Arbeitskollegen ("Se san a junger Mensch") seine Erlebnisse über "Gott und die Welt" auf. Scheinbar liebenswürdig, aber mit einem bösartigen, schleimigen, unverbesserlichen, kleinbürgerlich- selbstzufriedenen Unterton, latentem Opportunismus und einem ordinären Augenzwinkern berichtet er dem jungen Menschen von seinen Liebesabenteuern und seinen politischen Ansichten. Natürlich ist er sich keiner Schuld bewusst, obwohl er doch einer der vielen Mitläufer Hitlers war:
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"Da san mer alle, i waaß noch, am Ring, am Heldenplatz gestandn. Unübersehbar woarn mir. Man hat gfühlt, man is unter sich, es war wie beim Heurigen, es wa wie aan riesiger Heuriger - aber feierlich, aan Taumel. (...) Die Deitschn san einmarschiert, mit klingendem Spiel... (summt)... die Polizei is gestandn, mit ihre Hakenkreuzbinden, fesch - furchtbar, furchtbar das Verbrechen, wie man diese gutgläubigen Menschen in die Irre geführt hat! Der Führer hat geführt, aber a Persönlichkeit war er! Vielleicht a Dämon? Aber ma hat die Größe gespürt."
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33 Jahre war Qualtinger jung, als er in nur neun Tagen diesen Charakter ersann und ihn gemeinsam mit seinem Co-Autor Carl Merz zu Papier brachte. Am 15. November 1961 wurde das Stück erstmals im Fernsehen ausgestrahlt.
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Doch nicht nur seine Paraderolle enthält das Hörbuch. Neben eigenen Texten des 100-Kilo-Intellektuellen (u. a. "Der Menschheit Würde", "Hamlet oder Der Schwierige", "Travnicek und die Wahlen", "Der Alleinherrscher") rezitiert der geniale Stimmenimitator auch solch großartige Werke seiner Kollegen Karl Kraus, Peter Altenberg und Egon Friedell, bevor diese wunderbare CD mit dem dämonische Gebelfer Adolf Hitlers aus "Mein Kampf" endet. Als Qualtinger einmal gefragt wurde, weshalb er gerade dieses stilistische und inhaltliche Monstrum ausgewählt habe, meinte er in seinem unverfälschten Wiener Dialekt: "Jo was't, des is jo des Depperte, dos neamand den Schaas g'lesen hot... Wenigstens heit soll'n d'Leid wissen, wos der Hitler für an Schmoarn daherg'schrieben hot."
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Auf alle Stücke dieser CD passt die Aussage eines Kritikers: "Der Mann hat einen großen bösen Verstand, er hat Gift im Kopf, Schießpulver im Maul, Dolche im Gewand, spießt uns auf Nadeln auf." Und obwohl einige seine Begebenheiten einer anderen Zeit entsprungen sind, kann man sie gut und gerne als einen immer noch gültigen Spiegel der jüngeren Zeitgeschichte ansehen, wiederholen sich doch die damaligen Phänomene in nur unerheblichen Variationen bis heute.
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Helmut Qualtinger ist "eine dynamische Kugel, ein Gehirn, das nie zum Stillstand kam", stellt die österreichische Schauspielerin Louise Martini noch heute staunend fest.
Qualtinger - das ist ein Phänomen! Diese CD zeugt davon.
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Fazit:
Mit Auszügen aus seinen bitterbösen Sketchen und Stücken, in denen er seinen Landsleuten auf den Zahn fühlt und die Österreicher mit schwärzestem Humor überzieht, kann man sich noch einmal an den großen Kabarettisten Helmut Qualtinger erinnern, einen Mann, der bis zu seinem frühen Tod in seiner Kritik unnachgiebig blieb und das Spießertum, die Mentalität der Duckmäuser und Angeber der Angriffsfläche seines Spottes aussetzte.
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