Cover des Buches Die schwedischen Gummistiefel (ISBN: 9783552057951)
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Rezension zu Die schwedischen Gummistiefel von Henning Mankell

Betrachtungen über das Leben

von Queenelyza vor 8 Jahren

Rezension

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Queenelyzavor 8 Jahren
Henning Mankells letztes Buch sei anders, so heißt es. Persönlicher, philosophischer, trauriger. Und in der Tat hat der Schriftsteller, der 2015 an Krebs starb, hier ein Vermächtnis vorgelegt, das anders ist als die Wallander-Romane, die man meist zuerst nennt, wenn von Mankells Werk die Rede ist.

Mankell hat neben seinen berühmten Krimis noch viele andere Bücher mit anderen Thematiken geschrieben. Und in vielen davon schwang für mich meist eine sehr melancholische Grundstimmung mit, Ausweglosigkeit, gepaart mit Hoffnung, Traurigkeit, von vorsichtiger Zuversicht begleitet. Die Geschichte seines letzten Buches, die uns von Fredrik Welin erzählt, treibt dies gekonnt auf die Spitze, ohne in zu viel Tristesse abzudriften.

Fredrik Welin ist ein alter Mann, ein Chirurg, der sich nach einem Kunstfehler auf die schwedischen Schären zurück gezogen hat. Von den Einwohnern wird er gedulded und akzeptiert, auch wenn er nie wirklich in ihrer Mitte angekommen ist. Er hat eine Tochter, Louise, von deren Existenz er erst erfahren hat, als diese schon erwachsen war. Er lebt sein Leben ohne große Hoch- und Tiefpunkte, bis eines Tages sein Haus bis auf die Grundmauern abbrennt und er von der Polizei zunächst als Brandstifter verdächtigt wird. Doch warum sollte er ein Haus abbrennen und sich dann darin zum Schlafen niederlegen?

Man darf nicht davon ausgehen, dass dieser zunächst ungelöste Fall eine spannende Ermittlung nach sich zieht. Ganz im Gegenteil wird die Brandstiftung fast wie nebensächlich im letzten Teil der Buches ganz beiläufig aufgelöst. Viel wichtiger ist in diesem Buch die Betrachtung des Lebens. Fredrik als alter Mann, der sein Leben gelebt hat, macht sich unendlich viele Gedanken über das Leben, über den Tod, den er nahen sieht. Über Liebe, Hass und Gleichgültigkeit, über Hoffnung und Angst. Er erinnert sich an viele Dinge aus seiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit, wie es eben Menschen tun, die ein gewisses Alter erreicht haben und denen vieles wieder in den Sinn kommt. Obwohl er zunächst eigenbrötlerisch und wunderlich, fast schon misanthropisch daherkommt, merkt man am Ende des Buches die Entwicklung, die er durchmacht. Der Schicksalsschlag mit dem Haus hat ihm letztendlich geholfen, seiner Tochter etwas näher zu kommen.

In diesem Buch geht es um Freunde, die keine sind, um Einsamkeit, die Lebensbilanz am Ende und die Frage um Vertrauen und Kontrolle. Glauben wir wirklich, die Menschen zu kennen, mit denen wir leben? Ist nicht oft jemand ein ganz anderer, als er vorgibt zu sein? Kann man nicht über seinen Schatten springen, wenn einem jemand wichtig ist? Mit diesen und noch mehr Gedanken hat mich das Buch zurückgelassen, das wie auch die anderen Romane des Schriftstellers mit einem unglaublich schönen, ruhigen Schreibstil ausgestattet ist. Dieses Buch ist ein gelungener und sehr bewegender Abschied eines Schriftstellers, der mit seinem Tod eine nicht zu schließende Lücke in die Literaturlandschaft reißt.
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