Ich war unglaublich fasziniert von dem Aethercircus in der Altstadt von Buxtehude vor einigen Wochen. Steampunk zum Anfassen, Jawoll! Es flanierten Reifenröcke, Mieder, Sonnenschirme aus Spitze, ausladende Hüte, Zylinder und Googles, begleitet von dampfbetriebenen Fantasiegefährten und glänzenden Zahnrädern. Als ich dann einen Bücherstand mit Steampunk Romanen entdeckte - inklusive der leibhaftigen dazugehörigen Autorinnen und Autoren, war ich im Fantasyhimmel angelangt.
Das Cover eines Buches sprang mir sofort ins Auge und übte eine fast magische Anziehungskraft auf mich aus.
Fremde Horizonte von Henny Bode ist vielleicht einen Tick zu schmal für einen Roman und etwas zu breit für eine Kurzgeschichte --- ich nenne es hier einfach mal eine Novelle. Passt ja auch in die Zeit. Die Welt, die Henny Bode in ihrer Geschichte zeichnet, ist auf den ersten Blick solider Steampunk: Charmante Herren, die vor den Damen zum Gruß den Zylinder ziehen und mit dampfbetriebenen Kutschen in das nächste Erfinderlabor streben. Luftschiffe, gepuderte Nasen und vieles mehr lässt das Herz des Steampunk-Fans höher schlagen.
Das Besondere an dieser Geschichte ist die Tatsache, dass die verstorbenen Menschen sichtbar und gleichberechtigt - vielleicht ein bisschen blass und transparent - unter den Lebenden weilen.
Privatermittler Horatio Ferroulo erhält von einer so genannten Verblichenen einen pikanten Auftrag. Ihre tote Tochter ist auf mysteriöse Weise getötet worden - ist das denn überhaupt möglich. Der Fall führt ihn in die hintersten Winkel seiner Stadt und erlaubt uns Leserinnen und Leser einen tiefen Einblick in seine recht fragile Welt. Fragil, weil das Gleichgewicht zwischen Lebenden und Toten in großer Gefahr ist.
In kurzen Kapiteln mit ausgeprägten Perspektivwechseln erfahren wir immer mehr von dieser spannenden und interessanten Welt. Es ist, als würde die Autorin mit einer Petroleumlampe erst einen Winkel der Stadt und direkt danach den nächsten ausleuchten, wobei es außerhalb des spärlichen Lichtkegels stockfinster bleibt. Das Interesse, mehr von dieser Welt zu erfahren und Horatio und seiner Auftraggeberin Hannah über die Schulter zu schauen, zieht mich voller Spannung bis an das Ende der Geschichte.
Zwischenmenschlich (oder-tödlich?) passiert in dieser kurzen Geschichte zwischen den Zeilen wesentlich mehr als in ihnen. Henny Bode überlässt der Fantasie der Lesenden sehr viel Raum, ich hätte diesen Part dennoch gerne aus der Feder der Autorin erfahren.
Ihr Schreibstil ist klar und geradeheraus - also genau, wie ich es mag. Trotzdem schafft sie es, mit sparsamen Mitteln eine wilhelminische Atmosphäre heraufzubeschwören mit gespenstischem Flair. Die Geschichte endet für meinen Geschmack etwas zu abrupt und lässt mich ein bisschen im luftleeren Raum hängen.
Dennoch muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, diese Perle von Buch mitgenommen zu haben. Das Cover verspricht was der Inhalt hält. Ich bin begeistert! Vielleicht auch gerade, weil diese Geschichte noch ein paar Ecken und Kanten aufweist. Es lohnt sich dieses Buch zu lesen und es lohnt sich auch, die Autorin im Auge zu behalten. Ich bin schon sehr gespannt, welche weiteren fantasievollen Welten aus ihrer Feder fließen werden.
Spannend bis zum Schluss!