Der Legende nach kaufte Henri Charrière im Jahr 1967 einen Roman in einer Buchhandlung, "Der Astragal". Es handelte sich dabei um die Memoiren einer Frau, die einen großen Teil ihres Lebens im Gefängnis verbracht haben soll. Nach der Lektüre soll er erklärt haben, dass er dies besser könne, mehr erlebt habe und mehr Exemplare verkaufen würde. Er kritzelte prompt dreizehn Schulhefte voll und reichte das Manuskript an einen Verlag, der es druckte. So wurde Papillon zu einem Bestseller.
Bis heute ist ungeklärt, ob Charrière, aufgrund eines Schmetterlingstattos "Papillon" genannt, tatsächlich etwas von den in dem Roman geschilderten Ereignissen selbst erlebt hat, ob er die Geschichte im Gefängnis gehört und niedergeschrieben oder sie einfach nur ausgedacht hat. Dieses Schweben zwischen Wahrheit und Phantasie (denn die Zustände in den französischen Bagnos sind zweifelsfrei gut beschrieben) macht den Roman für mich schon allein mysteriös - und interessant.
Warum geht es?
Papillon, von seinen Freunden auch "Papi" genannt, wird als Mörder verurteilt und muss seinen Weg zum Bagno, einer Strafkolonie, in Französisch-Guayana antreten. Das ganze spielt in den frühen 1930 er Jahren. Der Roman gehört vom Genre her in die so genannten Sträflingsmemoiren, ist aber auch ein Abenteuerroman, denn das, was Papillon auszeichnet, ist sein unbändiger Wille, seine Freiheit wieder zurückzuerlangen. Schon kurz nach seiner Ankunft in Guyana schafft er es auch, seine abenteuerliche Flucht führt ihn zunöchst auf eine Leprainsel, dann in ein "Indianerdorf" namens Goajira, wo er einige Zeit verbringt. Doch diese Freiheit ist keine vollständige. "Dank deiner Aufnahme habe ich hier im Schutz deines Dorfes gelebt, bin glücklich gewesen, habe gut zu essen gehabt, noble Freunde gefunden und Frauen, die mir die Brust mit Sonne erfüllten. Doch das darf einen Mann wie mich nicht in ein Tier verwandeln, das, weil es eine warme Zuflucht gefunden hat, sein Leben lang darin bleibt, aus Angst leiden zu müssen." (162). Kurzum Papillon "flieht" auch aus der Beschränktheit dieses Dorfes und es soll viele, viele Jahre dauern, bis er tatsächlich wieder ein freier Mann ist.
Warum liebe ich diesen Roman? Es ist eine Erzählung (Ich-Erzähler, Präsens) und wirkt daher wie gesprochene Sprache, so als würde man Papillon in einer südfranzösischen Kneipe treffen, ein Glas Rotwein in der Hand, und er erzählt einem seine Lebensgeschichte. Es ist poetisch, die in hohem Maße barbarische Umgebung der französischen Strafkolonie wird in so zivilisierter Sprache berichtet, dass es einen reizvollen Gegensatz bildet. Ich bewundere den Protagonisten, seine Furchtlosigkeit, seinen Mut, seinen Willen, die Freiheit wiederzuerlangen, seine Tapferkeit, den Anstand und die Vorurteilsfreiheit mit der er den Menschen auf seiner Flucht begegnet.
Für wen ist dieser Roman etwas? Für alle, die Abenteuer lieben, die Spaß an Erzählungen haben, die gern "zuhören" bei diesen Beschreibungen.
Für wen ist dieser Roman eher nichts? Für alle, die gern Action haben, schnelle Szenen, knackige Dialoge.
Kann man stattdessen einen von den Filmen schauen? Wenn man einfach die Handlung erleben möchte, die spektakuläre Flucht und einem auch sonst Gefängnisfilme gefallen oder Serien wie Prison Break, dann ja, Ich finde den Roman literarisch hingegen so ansprechend und so schön, dass der Film das Buch nicht ersetzen kann.