Auf die Biographie von Alexander II. habe ich mich gefreut und auf ein schönes Leseerlebnis gehofft, ähnlichem dem wie bei der Biographie von Nikolaus I. aus der Feder von W. Bruce Lincoln.
Leider entpuppte sich dieses Werk als genaues Gegenteil davon. Enttäuschung auf ganzer Linie.
Als erstes fiel auf: Zu voreingenommen, was Tür und Tor für Fehinterpretationen geboten und die historischen Persönlichkeiten und ihr Wirken oft in einem unmöglichen Licht dastehen ließ.
Das Ganze ist nicht nur lieblos dahingeschrieben. Bei mir entstand leider der Eindruck, dass der werte Autor persönlichen Groll auf diese Art zur Schau stellen wollte. Oft sind die Beschreibungen von Alexander II. und seiner Frau herablassend bis hämisch. Zitate der Höflinge, die in ihren Tagebüchern die Bemerkungen dieser Art festgehalten haben, konnten problemlos den Weg auf die Seiten dieses Pamphlets finden. Zwei solch giftsprühenden Bemerkungen pro Seite sind keine Seltenheit.
Zu oberflächlich und z.T. mit groben Sachfehlern wartet die Darstellung Troyats auch noch. Für den werten Autor stellt Zar Ivan IV., auch der Schreckliche genannt, einen Ahnen von Alexander II. dar, was natürlich Nonsens ist. Ivan entstammte einer ganz anderen Familie, nämlich der Rjurikiden, die mit den Romanows nichts zu tun hatten.
In anderen Biographien, z.B. der von Marija Fjodorovna, der hessischen Prinzessin, der Frau von Alexander II. oder auch der von Dagmar von Dänemark, seiner Schwägerin und der Frau von Alexanders Nachfolger Alexander III. stehen viele Dinge, die man auch hier liest, aber viel besser geschrieben: mit viel Liebe zu den Protagonisten, Sinn und Verstand, was hier vielerorts fehlt.
Oft legte Troyat steile Thesen hin und ich musste mich wundern: Woher hat er das bitte? Das blieb nicht nachvollziehbar, denn die Quellenangaben sind mau und absolut unzureichend: Paar Quellen nach jedem Kapitel, das war es. Kein Literaturverzeichnis, kein Bildnachweis. Der werte Autor hat keine Belege, wollte bloß nur provozieren, so mein Eindruck.
So einen Umgang mit den Lesern finde ich völlig inakzeptabel.
Fazit: Vergessen wir es. Nicht der Rede und der kostbaren Lesezeit wert. Es gibt deutlich bessere Biografien, die nicht nur bestens informieren, sondern auch prima unterhalten. Dieses Pamphlet gehört sicherlich nicht dazu.