Rezension zu "Olof Palme - Vor uns liegen wunderbare Tage" von Henrik Berggren
Eine prägende Figur europäischer Sozialdemokratie und politischer Klarheit
Zum 25. Mal jährt sich der Tag der Ermordung Olof Palmes, ein gut gewählter Zeitpunkt, aus dem nun doch zeitlichen Abstand heraus nicht nur an den Politiker zu erinnern, sondern das Erbe dieser europäischen Integrationsfigur der Sozialdemokratie mit in den Fokus der Betrachtung zu rücken.
Olof Palme hatte sie ja, diese Idee einer anderen Gesellschaft, eines modernen Sozialstaates mit seinen Errungenschaften wirtschaftlicher und sozialer Natur, aber auch mit seiner tiefen Verwurzelung in der Kultur und der Kunst. Ähnlich wie Willy Brandt war auch bei Olof Palme die Nähe zu den Kunstschaffenden, Autoren, Filmemachern zu erkennen, getreu der Erkenntnis, dass der Geist eines modernen, Einfluss nehmenden Menschen ein mehr an Bildung und innerer Entfaltung benötigt als nur politische Schlagfertigkeit oder wirtschaftliche Kompetenz.
So ist dies eines der eindrucksvollsten Angänge des Buches, sich der Gesamtpersönlichkeit Olof Palmes zu nähern, hinter die Legende und hinter das Geschehen seiner Ermordung (die vieles davorliegende bis heute überschattet) zu blicken. Seine Prägungen von Jugend an, die Entwicklungen seiner Überzeugungen, die das Land Schweden nachhaltiger später verändert und beeinflusst haben, als Generationen von Politikern vor ihm und die bis heute fundamental nachwirken im modernen schwedischen Staat. Die Geschichte auch seiner engen Kontakte, weit verzweigt und durchaus differenziert, sich aber nie vereinnahmen lassend von reinen Ideologien, sondern immer mit dem Blick für das Ganze, die Anforderungen der modernen Zeit. Nicht ohne Grund waren er und Willy Brandt eng befreundet, beide auf ihre Weise eine corporate identity eines neuen politischen Ansatzes und Verständnisses im gesamtkulturellen Kontext je ihrer Gesellschaft.
Diese Form der Gesamtschau verfolgt auch Henrik Berggren und es tut dies mit Erfolg.
Nicht trockene Fakten, politische Entscheidungen oder die Stilisierung zum Helden der Linken stehen am Ende der Lektüre, obwohl von allem zur entsprechenden Zeit genügend im Buch nach zu lesen ist.
Eine ganze Zeit der Hoffnung mit ihrem Grundgefühl des gesellschaftlichen Aufbruches ersteht ein stückweit wieder auf in der breiten Darstellung Berggrens. Mehr Freiheit wagen auf allen Ebenen, dabei überzeugt sozialdemokratische Grundanliegen vertreten, die Kultur als gleichwertig der Wirtschaft und anderer, gesellschaftlicher Faktoren mit hinein nehmen, in der Person Olof Palmes ging eine ganze Generation an den politischen Start, die ihrem Verständnis nach im Humanismus und der Verbesserung von Lebensbedingungen der Menschen sich verwurzelt sah. Nur auf dieser Verstehensebene ist erklärbar, warum Olof Palme gegen jede Form des Lagerdenkens durchaus Amerika kritisieren konnte im Rahmen des Vietnamkrieges, ohne Ansehen des jeweiligen politischen Systems bereit war, mit seinem Land Schweden humanitäre Hilfe zu leisten, in gleicher Form sich aber genauso scharf gegen eine sowjetische Interventionspolitik zu richten wusste.
Letztlich, auch wenn der Begriff fast entwertet und abgedroschen erschient, Olof Palme war ein Idealist im besten Sinne, ohne dogmatisch verbohrt in Starrsinn zu verfallen. Ein Idealist, der den Geist einer ganzen Zeit in sich aufnahm und gestalterisch umsetzte. Das ist es letztlich, was bis heute seine Faszination und sein Charisma ausmacht und dieser Faszination nähert man sich als Leser durchaus im Wahrnehmen der knapp 700 dicht gedruckten Seiten.
Ein Visionär mit hohen moralischen Standards, der eine Idee hatte. Besser kann man einen Mann, der seine Ideale auf die Wirklichkeit hin überprüft, nicht beschreiben, als wie es Henrik Berggren (nicht nur in solchen Kennzeichnungen) gelingt. Eine Idee eines starken Staates, der tatsächliche für alle Bereiche seiner Menschen sich einsetzt und der das soziale, emanzipierte Leben als Zentrum gesellschaftlicher Verantwortung begreift. Bis heute ist Schweden damit vielen anderen Staaten weit voraus in seinen Errungenschaften für seine Bürger (nicht nur für einzelne Teile der Gesellschaft).
Überzeugend geschrieben und akribisch recherchiert gelingt Henrik Berggren zum einen die Darstellung eines außergewöhnlichen Menschen und Politikers, seiner Vision eines modernen Staates und der vielen Einflüsse, die ihn geprägt haben. Zum andern setzt Berggren den Geist einer ganzen Zeit wieder in den Mittelpunkt des Blickes und lässt fassbar werden, wie sehr das Wort und die Idee zu Zeiten weltgestaltend waren (und weiterhin sein könnten). Ein herausragendes Buch.