Für mich ist Sexus der Beweis, dass es nicht immer das Wichtigste ist, was man erzählt, sondern manchmal auch, wie man es erzählt. Außerdem finde ich, dass kaum jemandem die Verbindung von Handlungsstrang und innerer Auseinandersetzung so gut gelingt wie Miller.
Da wo andere sich in schwafelnder Introspektive verlieren, verfolgt Miller eine Klare Linie dabei, das zu sagen, was er sagen möchte.
Diese Interlude lassen einen jedoch nie die Geschichte vergessen, versetzen einen hingegen immer mehr in die Lage, das Werk als Ganzes zu verarbeiten.
Henry Miller
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Neue Rezensionen zu Henry Miller
Rezension zu "Wendekreis des Steinbocks. Roman." von Henry Miller
„Du lebst von den Früchten deines Handelns, und dein Handeln ist die Ernte deines Denkens.“ (S.298)
Zum Inhalt:
Mit „Wendekreis des Steinbocks“ schuf Henry Miller zusammen mit „Wendekreis des Krebses“ ein autobiografisches Werk, dem in den Kreisen seiner Verehrer beinahe religiöser Inhalt nachgesagt wird bzw. wurde. Dabei kamen auch Größen wie George Orwell oder Ernst Jünger an einer Auseinandersetzung mit Millers Schaffen nicht vorbei.
Beschränkt man sich auf eine oberflächliche Lektüre könnte man leicht dem Fehlurteil anheimfallen, es handle sich bei dem Text nur um eine teils recht wahllose Aneinanderreihung sehr freizügiger Schilderungen sexueller Eskapaden, sowie einem langgezogenen Lamento über die Schlechtigkeit der Welt und Amerikas im Speziellen. Es bedarf etwas eingehenderer Auseinandersetzung nicht nur mit dem Text, sondern auch mit der Person des Autors, sowie dessen geschichtlichem Kontext, um ein Verständnis für den verbalen, deshalb jedoch nicht minder brachialen künstlerischen Befreiungsschlag Millers zu entwickeln und die überaus metaphernreiche Sprache dechiffrieren zu können. War in „Wendekreis des Krebses“ Paris noch im geografischen Fokus, so legen sich die Strahlen des schriftstellerischen Brennglases in diesem Band auf Amerika, genauer New York.
„Das Fragmentarische, Zerrissene von Millers erstem großen Buch weicht in Tropic of Capricorn einer einheitlichen, von der wachsenden Erkenntnis des Irrsinns dieser Welt und besonders der großen Städte bestimmten Perspektive.“1) Der Archetyp hierfür stellt für den Autor New York mit seinen Häuserschluchten, seiner verblendenden Psychopathologie, seiner menschen- und lebensverachtenden Perversion eines Zerrbildes des amerikanischen Traums dar. In drastischen Analogien, teils rüden verbalen Eskapaden und einer sicher nicht im üblichen Sinne salonfähigen Sprachwahl beschreibt Miller die Stadt als einen Moloch dem gescheiterte Existenzen als willfährige Nahrung dienen, welche nach durchlaufen der voranschreitend mechanisierten Eingeweide einer auf Entmenschlichung getrimmten Maschinerie als gesellschaftliches Strandgut einem sinnfreien Tod entgegenvegetiert.
Der Fokus wird immer wieder auf die teils leicht zu durchschauenden, teils gefinktelten Regeln einer zutiefst abstoßenden und pervertierten Gesellschaft gelenkt, deren sich Miller als Künstler, jedoch noch vielmehr als Mensch verweigern will. Dabei klingt auch (s)eine Sympathie für die ihm seelenverwandte Bewegung der europäischen Surrealisten und Dadaisten an. Bemüht man sich nicht auch etwas zwischen den Zeilen zu lesen, entginge einem der Humor bzw. die ehrliche Suche nach Menschlichkeit die Miller immer wieder nach jedem Fall, jedem Tiefschlag aufstehen lässt, die Hoffnung nicht aufgebend, jenen Lichtschein der Humanität am Horizont menschlicher Geschichte und sozialen Zusammenlebens zu finden, die ein sich täglich Gegen-den-Tod-Stemmen rechtfertigt.
Fazit:
Es ist wahrlich keine leichte Lektüre, die man als Leser mit diesem Text in Händen hält. Zartbesaitete oder jene, die vor expliziten Schilderungen sexueller Handlungen zurückschrecken, sollten die Finger davon lassen. Ebenso ist es kein Roman für mal eben zwischendurch. Es bedarf Geduld, etwas Recherche und eines offenen Herangehens, um dem Text den nötigen Widerhall im eigenen Kopf zu ermöglichen. Nicht umsonst zählt Millers Werk zu dem, was als Weltliteratur tituliert wird.Zum Buch:
Der Band vermittelt äußerlich einen wertigen Eindruck, die festen leinenbespannten Buchdeckel werden von einem mit seinem Grün zum Rot des Leinens kontrastierenden Schutzumschlag umgeben und der Bedruckstoff ist von akzeptabler Qualität. Woran gespart wurde ist die Druckqualität (Beispiele siehe hier) und die typografische Gestaltung. Ersteres spiegelt sich in teils fehlenden Lettern oder Teilen derselben wider, Zweiteres lässt den Text als eine Art Bleiwüste und entsprechend ermüdend in der Lektüre wirken. An der Verleimung des Buchblockes gibt es nichts auszusetzen, so dass der Leser in Summe ein handwerklich passabel realisiertes gebundenes Werk der Weltliteratur in Händen hält.
mehr dazu wie immer auf meinem BLOG http://kuchers-blog.at
„…denn die Tragödie unserer Welt besteht gerade darin, daß nichts mehr imstande ist, sie aus ihrer Lethargie aufzuscheuchen.“ (S.8)
Zum Inhalt:
Zusammen mit „Wendekreis des Steinbocks“ – erschienen 1939 – stellt der Roman „Wendekreis des Krebses“ ein autobiografisches Versatzstück im Schaffen Henry Millers dar. Der Text beschreibt die Suche Millers nach seinem ganz persönlichen künstlerischen Ich in einem moralisch als verrucht zu bezeichnenden Umfeld, das ihm jedoch keineswegs die enge Freundschaft seiner ebenfalls in Paris lebenden, ähnlich gesinnten Landsleute versagt, ja sie vielmehr sogar fördert. Obwohl die Begrifflichkeit der „Biografie“ eine logische zeitliche Abfolge unterstellen ließe, so wird der Leser diese hier vermissen – oder dies als erfrischend anders empfinden. Anaïs Nin bringt es in ihrem Vorwort von 1934 prägnant auf den Punkt: „Das Buch wird allein durch Fluß und Wechsel der Ereignisse auf seiner eigenen Achse gehalten. Gerade weil es keinen Mittelpunkt gibt, ist auch keine Rede von Heldentum oder Kampf, da auch keine Rede von Willen ist, sondern nur von Hingabe an das Strömen.“ (S.7). Millers Sinn dafür, einer pragmatischen Weltsicht eine gewisse, ihm eigene Art der Komik abzugewinnen, finden sich in mehr oder weniger subtilen Wendungen, Schilderungen seiner Wegbegleiter und -begleiterinnen, sowie in der nahezu fatalistischen, jedoch keinesfalls in Selbstmitleid sich suhlenden, Sicht der Vergänglichkeit von Leben, Liebe, Wertesystemen und politischen, moralischen und wirtschaftlichen Ansichten. Ein Buch über die Suche nach dem „Zustand des Mit-sich-selbst-einig-Seins“1).
Fazit:
Millers Text „schlug die entscheidende Bresche in eine Mauer von Heuchelei und Prüderie.“, so der Klappentext und es handelt sich dabei um den sozialverträglichen Hauch eines Beschreibungversuches, mit welch ausdrucksgewaltiger, brachialer Erzählgewalt der Autor mit Tabus bricht. Ein Leben auf der scharfen Schneide zwischen künstlerischer Freiheit, der Suche nach dem nächsten Essen, der Negation bourgeoiser Normen und Rituale, der kompromisslosen Verwirklichung eigener künstlerischer Vision und die Kollision all dieser menschlichen Eisberge im sozialen Malstrom des Paris nach der Jahrhundertwende. Als eine „exstatische Befreiung“1) von den einschränkenden Normen des New Yorks der zwanziger Jahre bezeichnet es Jörg Drews. Es ist kein geschliffen feines Changieren, vielmehr ein rüder Bruch, der in jedem Absatz erneut kristallisiert, den Leser oft vor den Kopf stößt, aber auch gleichzeitig nicht aus seinem Bann entlässt. Ein Buch das definitiv Lust auf mehr Henry Miller macht.
Zum Buch:
Der rororo-Verlag liefert mit dieser Ausgabe von Henry Millers Klassiker einen kompakten Taschenbuchrahmen in solider Verarbeitung, dessen griffiger Bedruckstoff in Kombination mit einer stabilen Verleimung einen sehr positiven haptischen Gesamteindruck hinterlässt. Gesetzt aus der Aldus® in sehr kleiner Type, wirkt der Text ausgesprochen kompakt, ja beinahe gedrängt, was sich überdies ausgezeichnet mit dem Inhalt verträgt. Generell werden typografische Akzente, wenn überhaupt, nur sehr verhalten eingesetzt, was jedoch keineswegs störend wirkt. Als einziger Minuspunkt wäre die Wahl des Bedruckmaterials, welches leicht zum Vergilben neigt, zu erwähnen.
1) Kindlers Literatur Lexikon Bd.11, S. 703Gespräche aus der Community
Zusätzliche Informationen
Henry Miller wurde am 26. Dezember 1891 in New York (Vereinigte Staaten von Amerika) geboren.
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