Rezension zu Vergesst Auschwitz! von Henryk M. Broder
Rezension zu "Vergesst Auschwitz!" von Henryk M. Broder
von bogi
Rezension
bogivor 11 Jahren
Der Agent Provokateur wieder voll in seinem Element. Für mich ist Henryk M. Broder ungeheuer schwer einzuschätzen. Mit Vielem hat er ja absolut recht, oftmals übertreibt er aber gnadenlos. Sobald er auch nur ein Mü Kritik an Israel wittert (ich rede bewusst nicht von Juden) kläfft er "Antisemitismus" heraus. Mir scheint, eine konstruktive Diskussion ist somit oftmals extrem schwierig. In dem vorliegenden neusten Buch beschäftigt er sich in mehreren Kapiteln mit diversen, teils etwas schrägen Ausformungen, oder zumindest schräg dargestellten Variationen von Antisemitismus bzw. Auschwitz. Beispielsweise beschreibt er seinen Eindruck und wohl letztlich sein Mitwirken bei einer Affäre um einen ostdeutschen Radiomoderator, was im Endeffekt zu dessen Entlassung geführt hat. Über dessen Hipness kann man wohl eher nicht geteilter Meinung sein, ob es sich bei ihm aber um einen bewussten Antisemiten handelt scheint mir zweifelhaft. Vielmehr dürfte es sich um einen doch recht schlichten, nicht mit einem besonderen Geschichtsbewusstsein ausgestatteten Möchtegernjournalisten handeln. Dies ist in Verbindung zu einem weiteren Kapitel in dem sich Broder, soweit ich ihn verstanden habe, mit der für ihn fragwürdigen Erinnerungskultur zu Auschwitz beschäftigt, ein Bereich, bei dem mir eine nachvollziehbare Linie vom Autor fehlt. Immerhin tangiert die Affäre um den Journalisten in letzter Konsequenz dessen nicht vorhandenen Respekt des jüdischen Lebens oder zumindest von Israel. Dies gründet in Deutschland doch eindeutig in Relation zum Holocaust bzw. Auschwitz. Ansonsten wäre es im Grunde kein Unterschied wenn sich der Journalist, Ken Jebsen heisst er glaub ich, respektlos gegenüber Burkina Faso geäussert hätte. Da wäre die Reaktion von Broder aber vermutlich anders ausgefallen, wenn überhaubt. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit einer Art Palästina-Missionar, der wohl schon fast institutionalisiert zum Kölner Strassenbild gehört. Diesr löst bei Broder naturgemäss heftigen Unwillen aus. Insgesamt ein Buch, das sich sehr gut liest, dank des bekannten Broder-Duktus zu intensivem Nachdenken bzw. Diskussion anregt. Ich höre Broder immer wieder gerne zu und lese ihn ebenso gerne, gerade weil er immer für sehr pointierte Ansichten ohne Konsensgequake steht.