Rezension zu "Rosental" von Herbert Pelzer
Die Polizei braucht sehr lange, bis das Motiv der Morde, die wie Hinrichtungen inszeniert werden klar ist. Aus der Perspektive der Leserin und des Lesers ist man da immer einen Schritt voraus, denn die Handlung springt zu den verschiedenen Schauplätzen und Zeitpunkten. Dieser Stil macht das Buch spannend und sehr unterhaltsam zugleich, obwohl die Geschichte, die sich hinter dem Motiv verbirgt sehr traurig und aufwühlend ist. Wenn man in der Gegend aufgewachsen ist, in der das Buch spielt, wird alles noch viel berührender. Die Leute aus dem Euskirchender Rosental waren stigmatisiert und diese Siedlung an der Zuckerfabrik war eine Welt für sich. Jetzt ist nichts mehr davon übriggeblieben. Wie auch im Buch beschrieben, es wurde ein Haus nach dem nächsten abgerissen sobald die Bewohner in andere Sozialwohnungen umgesiedelt waren. Durch diesen Krimi wird die Erinnerung wieder lebendig und auch die ein oder andere echte Person, die man kannte, kommt einem wieder in den Sinn. Aber auch wenn, man es nicht kennt, steigt man in diese Kulisse ein. Pelzer ist es gelungen das ganze Milieu mit seinen fiktiven Personen wieder auferstehen zu lassen. Die Kombination Rosental und Porto-Bello, das ist das 70er Jahre Euskirchen.
Im Kern geht es in dem Krimi um Vergeltung. Die Täterin will ihre Opfer bestrafen und macht über eine ritualisierte Vorgehensweise, die von der Polizei nicht durchblickt wird, eine Mission aus ihrem Rachefeldzug. Das Opfer-Täter-Umkehrmotiv kommt stellvertretend zum Tragen, denn es geht einerseits um das Schicksal ihrer Mutter und andererseits um ihre eigene Geschichte. Einer der Männer muss ihr Vater sein. Hass und Wut treibt sie zu ihren Taten, obwohl sie selbstgenau zu diesem Zeitpunkt eine Chance auf eine gute Beziehung haben könnte.
Das Buch ist qualitativ nicht einfach ein Lokalkrimi. Es greift geselslchaftlich-historische Facetten auf und rührt im Frauen-Männerbild der Nachkriegsjahre herum. Männer hatten ihre Freiheiten, Frauen hatten alles mitzutragen. Bei einigen kam es zu Wohlstand und üppigen Körpermaßen und andere hingen im Rosental fest und hatten zunächst wenig Perspektiven. Am Ende ist man fast enttäuscht als die Täterin gestellt wird und noch eine lertzte Rechnung offen bleibt. Doch dann schließt sich der Kreis am Ende des Buchs.
Das Gute ist, dass am Ende des Buchs eine vage Aussicht auf ein besseres Leben in Aussicht gestellt wird, so dass die Täterin nach dem Knast einen Neustart wagen kann, auch wenn sie in der Gerichtsverhandlung keinerlei Reue zeigt. Als Leserin und Leser ist man geneigt Verständnis für sie zu entwickeln.
Empfehlen würde ich das Buch jedem, der eine Mischung zwischen gesellschaftskritischem Drama und Krimi mag und sich nochmals in die Lebenswelt der 1970er Jahre zurückversetzen möchte. Jüngere Leserinnen und Leser werden ihren Eltern und Großeltern einige Fragen stellen.