Cover des Buches Der Graben (ISBN: 9783462050820)
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Rezension zu Der Graben von Herman Koch

Zu viel Drumherum

von sursulapitschi vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein echter Koch, sein bestes Buch ist es nicht. „Angerichtet“ hat mir sehr viel besser gefallen. Hier erstickt die Deko die Handlung.

Rezension

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sursulapitschivor 6 Jahren
Herman Koch kann erzählen und ist ein scharfer Beobachter. Er erhebt Weitschweifigkeit zum Stilmittel wie kein Zweiter, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, plaudert hier, wirft ein, jongliert da. Man kann sich köstlich über seine endlosen Beschreibungen amüsieren, die so herrlich treffend sind. Hier überspannt er den Bogen ein wenig.

Man blickt in das Leben eines Mannes, nicht irgendeines Mannes, nein, Robert Walter ist kein geringerer als der Bürgermeister von Amsterdam. Er ist smart, beredt, weltgewandt, und weiß, wie man in der Öffentlichkeit auftritt. Nur sein Privatleben hat er nicht im Griff. Seitdem er den Verdacht hegt, dass seine Frau eine Affäre haben könnte, sucht er Beweise, auch wenn er sie nicht finden will. Und dann beschließen auch noch seine Eltern, dass man mit 95 Jahren lange genug gelebt hat. Man sollte aufhören, wenn es am Schönsten ist und man vor allen Dingen noch dazu in der Lage ist, sein Leben zu beenden. Roberts Welt steht Kopf.

Die Idee ist wunderbar. Durch Roberts politisches Amt bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, originelle Gedanken zum Zeitgeschehen jeder Art einzuflechten. Wie ist zum Beispiel der ökologische Nutzen von Windkrafträdern zu bewerten, wenn sie zwar politisch korrekten Strom liefern, dabei aber die Landschaft verschandeln? Man stelle sich vor, wie viel Energie man sparen könnte, wenn jeder Bürger Amsterdams seine Raumtemperatur nur um 1° senken würde. Dann wären Windkrafträder gar nicht nötig. Interessant und witzig.

Würde man dieses Buch als einen lockeren philosophischen Streifzug durch die heutige Zeit sehen, hätte man garantiert viel Spaß. Allerdings haben wir auch eine Handlung. Ja, da ist eine. Der rote Faden ist allerdings wirklich schwer zu orten zwischen den ganzen Exkursen. Zeitsprünge in die Vergangenheit eines jeden Protagonisten ereilen den Leser immer wieder und auch da gibt es einiges zu betrachten und zu erörtern. Man ringt um den Überblick.
Eigentlich ist Roberts persönliches Drama fesselnd, anrührend und nachvollziehbar. Und eigentlich spitzen sich die Katastrophen zu bis zur Absurdität, was mir großen Spaß gemacht hätte, hätte ich ihnen schlüssig folgen können. Leider erstickt die Handlung in zu viel Drumherum. Das überraschende Ende übersieht man fast. Schade.

„Der Graben“ ist ein echter Koch, das kann man ihm nicht absprechen, sein bestes Buch ist es nicht. „Angerichtet“ hat mir sehr viel besser gefallen.
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