Cover des Buches Moby Dick (ISBN: 9780141198958)
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Rezension zu Moby Dick von Herman Melville

Moby Dick

von _nifelheim vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Das Buch zu lesen ist selbst ein Abenteuer

Rezension

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_nifelheimvor 8 Jahren
Moby Dick hatte ich vor etlichen Jahren einmal begonnen zu lesen, aber irgendwie wurde ich nie fertig damit. Mein Buch vor 5 Jahren war eine Jugendbuch-Ausgabe und hat mit dem Original nur wenig zu tun. So versprach ich mir auch von der 900 Seiten langen Version ein Abenteuerbuch, tätowierte Piraten und Walfänger auf offener See, Wind und Stürmen ausgesetzt und wurde eines besseren belehrt.

Klappentext:

Das gewaltige Epos vom großen weißen Wal und Kapitän Ahab erzählt die Geschichte von Ismael, der sich, des Festlands müde, auf den Ozean der Möglichkeiten begibt, indem er auf dem Walfänger Pequod anheuert. Nach abenteuerlichen Reisen durch alle stürmischen Meere findet er als einziger der Mannschaft nach Hause zurück - im Sarg seines Freundes Queequeg.

Wer zum ersten Mal Moby Dick liest, wird mit Sicherheit - so wie ich auch - feststellen, dass er sich etwas ganz anderes darunter vorgestellt hat. Moby Dick ist ein Monstrum von Buch, wenn man es einmal so nennen darf. Nicht nur wegen der beachtlichen Seitenanzahl, auch wegen dem Inhalt. Ich glaube ich habe noch nie ein Buch im Romanformat gelesen, welches so viel Information enthielt wie Moby Dick.

Hermann Melville lässt es sich nicht nehmen auf 900 Seiten die Kreatur Wal in all ihren Beschaffenheiten zu schildern und zu sezieren. Gleich mehrere Seiten füllt er mit der Beschreibung der verschiedenen Walarten, ihren Lebensweisen und ihrem Charakter. Der enzyklopädische Ehrgeiz, der Melville antreibt, macht das Buch zu einer sehr langen und schwierigen Lesekost.

Für viele Leser ist genau auch das das Problem und mitunter ein Grund das Buch nach wenigen Seiten wieder zuzuklappen. Etwa 200 Seiten muss man gelesen haben, bis das Walfänger-Schiff Pequod mit seiner bunt zusammengewürfelten Mannschaft letztendlich in See sticht und sich auf eine Reise ins Ungewisse macht.

Die eigentliche Geschichte Mann gegen Wal spielt sich nicht einmal auf einem Drittel der Seiten ab, sie wird immer nur kurz eingeschoben und geht in den vielen Kapiteln sozusagen unter. Der Rest des Buches sind detailreiche Informationen über wissenschaftliche Studien zu verschiedenen Themen, im Focus liegt aber der Wal und der Walfang. Wenn man sich überhaupt nicht dafür interessiert, wird man bestimmt absolut keine Freude beim Lesen von Moby Dick empfinden und das Buch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu Ende lesen. Vor allem an nautischen Begriffen wird nicht gespart. Es gibt auch keine wirklichen Protagonisten, an die man sich klammern kann oder für die man Sympathie entwickeln könnte. Der Erzähler nimmt nach und nach eine untergeordnete Rolle ein, man erfährt auch nicht viel über ihn. Lediglich seine Freundschaft mit einem Südsee Kannibalen wird immer wieder in die Geschichte aufgenommen, und das passiert mit viel Ironie. Melville's Schreibstil hat mir besonders an diesen Stellen gefallen, an denen er weg von der sachlichen Schreibart abkommt und im fiktiven, dichterischen Stil schreibt. Diese Passagen sind aber sehr kurz.

Der Erzähler Ismael erzählt die Geschichte in der Ich-Form. Es finden sich oft lange und verschachtelte Sätze mit komplexen Strukturen und vielen Metaphern. Neben der vielen Fachausdrücken bedient sich Melville auch der Schilderung religiöser Aspekte und auch die Mythologie kommt nicht zu kurz. Obwohl ich mich sehr für Mythologie interessiere, musste sogar ich öfters nachschlagen, was jetzt wirklich gemeint war und warum Melville das gerade an dieser oder jener Stelle einschiebt. Bevor man das erste Kapitel zu lesen beginnt, finden sich auf 14 Seiten Auszüge und Phrasen, die sich alle mit Walen beschäftigen. Einige Bibelstellen, Sammlungen anderer Mythen und Reiseberichte sowie Zitate anderer Schriftsteller, draunter Goethe, werden von Melville zitiert.

Aber der Herr verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Jona

Der Stil ist chaotisch und alles andere als chronologisch. Hat Melville auf Seite 319 noch vom Tran geschrieben, dazu wirklich alles eingebaut, von der Geschichte bis zur biologischen und chemischen Zusammensetzung, von der Gewinnung und Verwendung, schreibt er im nächsten Kapitel über was ganz anderes. Und ja, wenn man bei der Kapitelüberschrift denkt, er wird doch jetzt kein ganzes Kapitel über die Fontäne schreiben, die der Wal beim Ausatmen hochschießt, dann folgen fast 15 Seiten explizite Schilderung über die Fontäne des Wales. So setzt sich das Buch aus 135 Kapitel zusammen, in denen es eigentlich immer um den Wal geht. Dabei fehlen oft einfach die Übergänge.

Verglichen mit Thomas Hardy's Büchern, der es ja schafft in seinen Geschichten das viktorianische Zeitalter einzubauen und die Informationen fließend einzubringen, ist es bei Melville's Buch nicht so der Fall. Ich mochte an diesem Buch zwar die vielen Informationen über Wale, Mythologie, Walfang, Seefahrer und Seefahrt aber ein zweites Mal würde ich das Buch sicher nicht lesen.

Fazit:

Moby Dick ist ein Buch, das nicht jeden Leser glücklich machen wird. Es ist kein Abenteuerbuch, das Abenteuer besteht darin, das Buch zu lesen. Viel Ausdauer und Zeit wird nötig sein, bis man schließlich am Ende auf Seite 900 ankommt und staunend feststellt, man hat Moby Dick gelesen!
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